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die er in Florenz miterlebte, mit einer Kälte und inneren Teilnahmslosigkeit berichtete", als handle es sich um den Sturz eines ihm gleichgültigen asiatischen Häuptlings, nicht aber eines Staatsoberhauptes, dessen Verdienste er bei jeder Gelegenheit in den hellsten Farben ausgemalt hatte. Mit einer gewissen stillen Genugtuung verzeichnete er den frohlockenden Jubel der Menge über die Verjagung der mediceischen Brüder,,,die sich wie Adler erhoben hatten und ihr Nest in den Sternen gebaut zu haben schienen“ (Abd. 4; Job 39, 27) und nun mit einem Schlage vom allgemeinen Volksunwillen hinweggefegt wurden. Mit mächtiger Hand und erhobenem Arm habe der Herr, der Hort der Gerechtigkeit, sein Volk erlöst. Sechzig Jahre lang sei Florenz dem Hause Medici versklavt gewesen, nunmehr aber habe es, unfähig, das harte Joch der Unterdrücker länger zu ertragen, mit Gottes Gnade seine Freiheit zurückgewonnen. Für das bittere Los der Verbannten hatte Delfin kein Wort des Mitgefühls. Er hatte nichts mehr für die Medici übrig, von welchen er nichts mehr zu hoffen hatte.

D. DIE WAHL ALEXANDERS VI.

Was man lange vorausgesehen, erwartet und befürchtet hatte, trat in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1492 ein, der Tod Innozenz' VIII. Unter den Kardinälen, welche er im März 1489 ernannt, aber noch in petto behalten hatte, befand sich neben dem Sohne Lorenzo Magnificos und neben Friedrich, dem Sprossen des Grafen Robert Sanseverino, der greise Patriarch Maffeo Gerardi von Venedig. Natürlich lag wie den anderen italienischen Mächten, so den stolzen Beherrschern des Meeres alles daran, im bevorstehenden Wahlkampfe das Schwergewicht ihres politischen Einflusses in die Wagschale zu legen. Da nun von den drei venezianischen Kardinälen Johann Baptist Zeno, Johann Michiel und Marco Barbo letzterer am 2. März 1491 bereits gestorben war, so sahen sie begreiflicherweise erst recht darauf, daß an Stelle Barbos der neu erwählte, wenn auch noch nicht veröffentlichte Gerardi vom hl. Kollegium als Kardinal anerkannt und zur Papstwahl zugelassen werde, womit sie zwar auf einigen Widerstand stießen, aber mit Hilfe des

AUF DEM WEGE ZUM KONKLAVE

107 Kardinals Julian della Rovere schließlich doch durchdrangen'. Sie sorgten aber zugleich dafür, daß der Patriarch, schon von Hause aus eine schwache, unselbständige Natur, nunmehr durch sein hohes Alter' gebrochen, nicht das leichte Opfer fremder Ränke werde, sondern auch wirklich im Sinne seiner Regierung abstimme, indem sie ihn unter die Aufsicht zweier vom Senate ausgewählter Konklavisten stellten, seines Neffen Franz Pazzi" und des Sekretärs Georg Negri, des besonderen Vertrauensmannes des Dogen Augustin Barbarigo. Zugleich ließen sie an Delfin die schriftliche Aufforderung ergehen, den greisen Patriarchen nach Rom zu geleiten, und da dieser Auftrag überdies dem persönlichen Wunsche Gerardis selbst entsprach, so glaubte sich ihm der General um so weniger entziehen zu dürfen, als er im selben Sinne auch von seinen Ordensfreunden beredet wurde, welche gleich der Signorie eine Überwachung des gebrechlichen Mannes für nötig erachteten. Der Weisung der Signorie gemäß sollte der neue Purpurträger bis Pesaro zu Schiff, von da über den Apennin nach Rom in der Sänfte befördert werden" und unterwegs mit Delfin zusammentreffen. Als jedoch dieser in Borgo S. Sepolcro unweit Camaldoli eintraf, war der Patriarch mit seiner Begleitung, von der Signorie zur Eile ermahnt, hier bereits durchgezogen, so daß dem Generale nichts übrig blieb, als ihm unverweilt nachzueilen. In seinem weißen Ordensgewande, welches unwillkürlich an das weiße Gewand des Papstes gemahnte, erregte der Patriarch allenthalben größtes Aufsehen. Delfin wurde, wie er selbst erzählte, überall, wohin er kam, mit der Frage bestürmt, ob er dem gleichen Orden angehöre wie der vorausgeeilte Patriarch, und als er diese Frage freudig bejahen konnte, ward er zur hohen Würde warm beglückwünscht, welche den Söhnen des hl. Romuald winke, die, kaum erst mit einem Kardinale ausgezeichnet, nun auch schon einen Papst erhalten sollten, da der Patriarch, wie es allgemein heiße, als Sieger aus dem bevorstehenden Konklave hervorgehen werde. Der Wunsch mochte der Vater des Gedankens sein. Der gütige Priestergreis mit den milden Gesichtszügen zog an den Gläubigen wie eine selige, Glück verheißende Erscheinung vorüber, als der verkörperte Friedensfürst, nach dem sich alle Welt sehnte. Sogar in Florenz war man darauf gefaßt, daß Gerardi Papst werde,,,denn da er als weißer (Camaldulenser-) Mönch und als venezianischer Patriarch, als welcher er sich eben

falls weiß trug, in dieser Kleidung zu Rom erschien, so sah man darin eine Vorbedeutung der päpstlichen Würde". Dieselbe Meinung herrschte, wie Delfin meldete', auch in Rom selbst, wie denn der ferraresische Gesandte Bischof Boccaccio an die Herzogin Eleonora berichtete, es könne wohl sein, daß die Wahl auf Gerardi falleR. Die Enttäuschung war freilich bitter, als dieser am 3. August, einen Tag vor dem Generale, in Rom eintraf und man sich nun überzeugen konnte, daß er, vom Alter ganz aufgerieben, kaum mehr zu stehen vermochte'. Infessur a schilderte ihn als einen von den Gebresten der Jahre so stark mitgenommenen Mann,,,daß er kaum sprechen oder gehen konnte und so mit dem Kopfe wackelte, daß man immer glaubte, er wolle ja sagen1o". Gleichwohl richteten sich noch am 6. August, als er inınitten seines Gefolges nach S. Peter zum Konklave zog, alle Blicke auf ihn", den bescheidenen Mönch im einfachen Ordenskleide, der von seinen sporenklirrenden und waffenstarrenden Kollegen seltsam genug abstach. Delfin blieb an seiner Seite, bis das Hochamt zum Hl. Geiste mit der eindringlichen Predigt des spanischen Bischofs Bernhardin Carvajal beendet war. Dann zogen sich die Kardināle ins Konklave zurück, mit ihnen ihr ältestes und zugleich jüngstes Mitglied, Maffeo Gerardi, gefolgt und bewacht von Pazzi und Negri, seinen beiden Konklavisten und obrigkeitlichen Vormündern. Delfin aber mußte sich nunmehr verabschieden, um in sein Quartier zurückzukehren".

Mit fieberhafter Ungeduld sah er hier dem weiteren Verlaufe der Dinge entgegen. Seine Erwartungen waren aufs höchste gespannt. Wie, wenn es wieder einmal wahr sagte, das alte Sprichwort, und die Stimme des Volkes die Stimme Gottes war! Wenn dem Camaldulenserorden, kaum daß ihm der rote Hut zugefallen war, nun gar die dreifache Krone zuteil ward! Wurde der Patriarch Papst, dann war auch das Schicksal des Generals mitentschieden. Dann vermochte er dem ihm schon seit Jahren zugedachten Lose nicht mehr zu entrinnen und mußte das weiße Ordenskleid mit dem kardinalizischen Purpur vermählen. Welche Rolle war ihm dann beschieden, ihm, dem ersten und nächsten Berater des Hl. Vaters! Welche Aussichten für die Reform des Ordens, der Kirche, wie sie ihm solange schon lebendig vor Augen schwebte! Das alles war in greifbarste Nähe gerückt, in einigen Tagen, vielleicht schon in wenigen Stunden konnte alles entschieden sein. Ernste Hinder

DIE AUSSICHTEN DES PATRIARCHEN

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nisse schienen der Wahl nicht im Wege zu stehen, die öffentliche Stimmung empfahl sie. Sogar das hohe Alter des Patriarchen, so sehr es ihm in manchen Augen auch schadete, konnte seiner Sache unter Umständen sehr förderlich sein. Schon öfter war es ja vorgekommen, daß sich die Wähler, wenn sie sich auf ihre eigenen Kandidaten nicht zu einigen vermochten, zur Erhebung eines sonst Aussichtslosen mit hohen Jahren verstanden, die einerseits zwar eine vorläufige Lösung brachte, anderseits aber durch die Hoffnung auf baldige Neuwahl im Falle des nahen Todes des eben Erkorenen die Aussichten der streitenden Teile nicht schmälerte. Wohl war das hl. Kollegium im bedenklichsten Maße verweltlicht. Immerhin fehlte es ihm doch nicht ganz an ernsten, kirchlich gerichteten Männern, die vielleicht das Gewissen ihrer Amtsbrüder aufzurütteln und zur Berücksichtigung der idealen kirchlichen Forderungen und Bedürfnisse an Stelle der bloß irdisch-weltlichen zu bekehren vermochten: so Olivier Carafa, der Kardinal von Neapel, Protektor des Dominikanerordens, ein persönlich frommer, sittenstrenger, der Reform der Kirche aufrichtig ergebener Mann; und im selben Rufe standen Franz Piccolomini, der Neffe Pius' II., sowie Ardicino della Porta, Bischof von Aleria. Auch die Kardinäle Costa von Lissabon und der jugendliche Medici galten als Männer guten Willens, denen vielleicht auch der tatkräftige Julian della Rovere seine mächtige Hilfe lieh. Konnte nicht das erhebende Beispiel weniger die anderen zur Nachahmung entflammen? Konnte Gott nicht aus Steinen Söhne Abrahams erwecken?

Selbst wenn sich jedoch die Hoffnung auf den Patriarchen unvermuteter Weise als trügerisch erwies, so konnte dem Camaldulenserorden von anderer Seite her Heil widerfahren. Schon seit 1490 rechnete man mit der Wahl des frommen und gelehrten Kardinals Ardicino della Porta, der sich um seiner Herzensgüte und Wohltätigkeit willen allgemeiner Beliebtheit erfreute und auch jetzt noch immer als einer der aussichtsvollsten Bewerber galt". Kaum ein Jahr war es nun aber her, daß sich Ardicino sehr ernstlich mit dem Vorhaben trug, alle seine kirchlichen Ämter und Würden, das Kardinalat und das Bistum Aleria miteingeschlossen, in die Hände des Papstes zurückzugeben und sein Leben in einem strengen Orden zu beschließen. Schon hatte er sich nach Monte Oliveto bei Siena zurückgezogen und mit einem Bittgesuche an

Innozenz VIII. gewandt, um die Genehmigung zu erhalten, nach Camaldoli zu pilgern und zunächst zur Probe einen Monat in der heiligen Einsiedelei zu verbringen". Allerdings hatte der Papst diese Bitte abgeschlagen, wie auch das hl. Kollegium von dem von ihm beabsichtigten Schritte nichts wissen wollte. Daß er aber seine Gesinnung durchaus nicht geändert hatte, das lehrte ein neues Schreiben an den Papst, worin er diesen wiederum auf das flehentlichste um die Erlaubnis anging, der Welt ganz zu entsagen und nur mehr dem Heile seiner Seele zu leben". Wurde also der Kardinal von Aleria mit der Tiara geschmückt, so war es fast, als trüge sie ein Sohn des hl. Romuald; und konnten die Kardinäle, falls es ihnen nur wirklich darum zu tun war, der verwaisten Kirche einen Vater nach dem Herzen Gottes zu geben, einen würdigeren finden? Wie Ardicino, der Camaldulenser dem Willen und Vorhaben nach, so versprach Franz Piccolomini, der Protektor des Camaldulenserordens, ein Oberhaupt der Christenheit ganz im Sinne Delfins zu werden; auch von ihm war bekannt, daß er Aussichten hatte, wie nicht minder der Kardinal Zeno, mit welchem Delfin noch vor kurzem in Prato getafelt hatte1. Jedenfalls war es des letzteren heißester Wunsch, daß nur ein Mann das Steuerruder des Schiffleins Petri übernehme, der den seiner harrenden großen Aufgaben gewachsen sei, gewillt und fähig, den Königen entgegenzutreten wie Johannes der Täufer (Matth. 14, 4), den Unzüchtigen wie Phinees (4. Mos. 25, 7 f.), den Götzendienern wie Elias (3. Kön. 18, 40), den Geizigen wie Elisäus (4. Kön. 5, 26 f.), den Lügnern wie Petrus (Apg. 5, 1 ff.), den Gotteslästerern wie Paulus (Apg. 13, 8 ff., 45 ff.) und den Tempelhändlern wie Christus (Marc. 11, 15 f.); ein Hoherpriester, von dem einen Streben beseelt, sich nicht um die Wolle, sondern um das Wohl seiner verirrten Herde zu kümmern".

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Während sich Delfin in den seligsten Hoffnungen wiegte, waren die Würfel bereits gefallen. Am 11. August früh am Morgen ward das Ergebnis der Wahl verkündet sie hatte den Spanier Roderich Borja getroffen, den Vizekanzler der römischen Kirche. Delfin war wie aus allen Himmeln gefallen.,,Beten wir zu Gott," schrieb er am selben Tage18,,,auf daß er sich würdige, seine hl. Kirche zu erneuern." Der General war unsäglich enttäuscht; und die Gerüchte, die sich noch im Laufe desselben Tages verbreiteten, waren ganz dazu angetan, seine Enttäuschung ins gren

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