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Sämmtliche zum Civilstande gehörige Königliche, in wirklichen Diensten stehende oder Titularräthe und andere Bediente sind der Regel nach von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts ausgenommen,

vom Pfarrzwange befreit sei und, dem § 6. des Zusages 213. des Ostpreußischen Provinzialrechtes zu Folge, die vom Pfarrzwange ausgenommenen Personen von Personalzehnten und von der Geldkalende befreit wären. Er wurde deshalb von dem Sackheimer Kirchenkollegium gerichtlich belangt. - Der erste Richter wies das klagende Kirchen-Kollegium ab. Dagegen erkannte der zweite Richter abändernd, indem er den Verklagten für schuldig erachtete:

anzuerkennen, daß, so lange er innerhalb des Sackheimer Kirchspiels seinen ordentlichen Wohnsitz habe, er den aus dem Parochialverhältnisse gesetzlich sich ergebenden Pflichten und Lasten sich zu unterziehen, auch den vom 1. Januar 1852 bis 1. Januar 1856 rückständig gewordenen vierjährigen Personal-Dezem zu entrichten habe.

Zur Motivirung seiner Entscheidung führte der zweite Richter im Wesentlichen folgende Gründe an. Bei der Beantwortung der Frage:

ob der Verklagte als Landschafts-Syndikus auf das, durch den § 283. a. a. D. den sämmtlichen zum Civilstande gehörigen Königlichen in wirklichen Diensten stehenden oder Titularräthen und anderen Beamten ertheilte Privilegium der Exemtion von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts Anspruch machen dürfe?

sei der Umstand gleichgültig, daß der Verklagte nach der früHeren Verfassung ein forum exemtum gehabt habe, indem der § 277. II. 11. des Allgem. Landrechts ausdrücklich bestimme, daß aus der Befreiung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Ortes noch nicht die Ausnahme von der Parochie folge. Aus dem Zwecke der Ostpreußischen Landschaft und aus den §§ 1. 23. 26. und 50. des revidirten Reglements vom 16. Februar

1808 (Mathis, juristische Monatsschrift Bd. 8. S. 162. ff. und S. 255. ff.; Rabe, Darstellung des Wesens der Pfandbriefe zweiter Theil S. 474.) weist der Appellationsrichter aber auch ferner nach, daß die Ostpreußische Landschaft kein wirklich Königliches Institut sei, und daß die Beamten derselben, soweit sie nicht etwa von dem Könige ernannt oder bestätigt würden, auch nicht für in wirklichen Königlichen Diensten stehende Beamte, wie es im § 283. a. a. D. zur Begründung einer Exemtion von der Parochie des Wohnsizes erfordert werde, gehalten werden könnten; zu diesen nicht eximirten Beamten gehöre auch der Verklagte, da er als Landschafts-Syndikus vom Könige weder ernannt noch bestätigt sei.

Gegen diese Ausführung des zweiten Richters kämpfte die Nichtigkeitsbeschwerde an; sie beschuldigte denselben, den § 283. a. a. D. und eventualiter zugleich die §§ 68. und 69. II. 10. des Allgem. Landrechts verlezt zu haben. Nach den Worten des § 283. gehörten, sagte sie, wohl unzweifelhaft nicht blos die Königlichen Beamten in die in jenem Gesche gedachte Kategorie, sondern auch alle zum Civilstande gehörige Bediente, also namentlich auch die landschaftlichen Beamten - § 69. II. 10. Allgem. Landrechts. Die im § 283. angegebene Kategorie von Bedienten sei in derselben Weise im § 53. I. 2. der Allg. Gerichts-Ordnung bezeichnet; es erhelle hieraus, daß man mit der Bestimmung des § 283. beabsichtigt habe, die nach Vorschrift der Allgem. Gerichts-Ordnung eximirt gewesenen Personen auch von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts auszunehmen; die Subalternen der landschaftlichen Institute, zu denen auch der Syndikus zähle, seien aber nach § 57. I. 2. der Allg. Gerichts-Ordnung eximirt gewesen.

Das Ober- Tribunal hat die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Gründe:

In den Vorinstanzen sucht der Verklagte darzuthun, daß ihm, ganz abgesehen von seinem adlichen Stande, § 42. I. 2.

der Allgem. Gerichts-Ordnung, schon vermöge seiner Eigenschaft als Syndikus der Ostpreußischen Landschaft nach den Grundsäßen und Vorschriften der Allg. Gerichts-Ordnung ein egimirter Gerichtsstand gebührt haben würde, und die Nichtigkeitsbeschwerde legt auf die gleichförmige Ausdrucksweise im § 53. a. a. D.: Sämmtliche zum Civilstande gehörige Königliche in wirklichen Diensten stehende oder Titularräthe und Beamte sind als egimirte zu betrachten und gehören als solche unter das Obergericht der Provinz.

und im § 283.:

Sämmtliche zum Civilstande gehörige Königliche in wirklichen Diensten stehende oder Titularräthe und andere Bediente sind der Regel nach von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts ausgenommen.

ganz besonderes Gewicht; es wird daraus gefolgert: daß man mit der Bestimmung des § 283. beabsichtigt habe, die nach Vorschrift der Allgem. Gerichts-Ordnung eximirt gewesenen Personen auch von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts auszunehmen. Diese Annahme des Imploranten ist jedoch ente schieden unrichtig; ihr steht der § 277. ebendaselbst:

Aus der Befreiung von der ordentlichen Gerichtbarkeit des Ortes folgt noch nicht die Ausnahme von der Parochie. auf den schon der Appellationsrichter verweist, geradezu entgegen.

Ju einer von dem Ministerio der geistlichen Angelegenheiten, Abtheilung für die inneren evangelischen Kirchensachen, veröffentlichten Denkschrift, betreffend die Eremtion der Civilbeamten von den ordentlichen Parochien, vom 15. März 1849 --

vergl. Aktenstücke aus der Verwaltung der Abtheilung des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten für die inneren evangelischen Kirchenfachen vom 2. Januar 1849 bið 11. Juni 1850. Amtlicher Abdruck. Berlin, 1850. Verlag von Wil helm Herz (Beffersche Buchhandlung) S. 104. ff. X. 49. — ist aus archivalischen Urkunden näher nachgewiesen, daß sich in der lezten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Exemtion der Civil

beamten von der Parochie für die Kurmark auf den Grundsah firirt habe:

daß diejenigen Beamten, welche der Gerichtsbarkeit des ordentlichen Unterrichters ihres Orts nicht unterworfen wären, in Beziehung auf Taufen und Trauungen auch von der Parochie egimirt seien, dergestalt, daß sie den Geistlichen, deffen sie sich bedienen wollen, frei wählen könnten.

Von ähnlichen Prinzipien ist man denn auch noch bei dem ersten Entwurfe eines Allgem, Gesezbuches für die Preußischen Staaten ausgegangen. Diese Anschauung hat man indessen bei der Redaktion des Allgem. Landrechts selbst, bei welcher gerade der Schlesische Oberamts-Regierungsrath Suarez vorzugsweise thätig war, gänzlich aufgegeben, vielmehr an die Spize der Lehre über die Egemtionen von der Parochie die entgegengesezte Regel:

Aus der Befreiung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Ortes folgt noch nicht die Ausnahme von der Parochie. § 277. a. a. D.

gestellt. Nur da, wo die im § 283. bezeichneten Civilbediente unter der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Ortes stehen, gilt die Vermuthung, daß sie auch zur Parochie desselben gehören, § 284.; dagegen wird durch bloße Uebertragung (Delegation) der Gerichtsbarkeit von dem Ober- an die ordentlichen Gerichte des Ortes die Befreiung von der Parochie nicht aufgehoben, § 285. a. a. D., § 107. II. 10. des Allgem. Landrechts. Zieht hiernach die Eremtion von der ordentlichen Gerichtbarkeit keinesweges zugleich nothwendig die Befreiung von der Parochie nach sich, so erscheint es für den vorliegenden Zweck auch durchaus müßig, näher zu prüfen, ob dem Verklagten in seiner Eigenschaft als landschaftlicher Syndikus nach den Vorschriften der Allgem. Gerichtsordnung und namentlich nach den §§ 53. und 57. I. 2. daselbst wirklich ein exemtes Forum zugestanden hätte.

Der Kern der Nichtigkeitsbeschwerde beruht jedoch in der Behauptung des Imploranten: nach dem Worte des Gesetzes

Archiv f. Rechtsf. Bd. XXIV.

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des § 283

gehörten nicht blos die Königlichen Beamten in die in jenem Geseze gedachte Kategorie, sondern auch alle zum Civilstande gehörige Bediente. Diese Deutung des § 283. ist indessen eine durchaus unrichtige, vielmehr muß der einschränkenden Auslegung des Appellationsrichters beigepflichtet werden. Der § 283. nimmt keinesweges sämmtliche zum Civilstande gehörige Bediente von der Parochie ihres Wohnortes aus, wie der Implorant meint, sondern er beschränkt dies Privilegium a. auf Königliche in wirklichen Diensten stehende Räthe, b. auf Königliche Titularräthe, und

c. auf andere Königliche Bediente, sofern dieselben zum Civilstande gehören.

Daß die Bezeichnungen zu a. und b. auf den landschaftlichen Syndikus nicht passen, unterliegt keinem Zweifel, namentlich ist derselbe weder zum Justizrathe ernannt, noch sonst mit einem Rechts-Charakter begnadigt; unter den anderen „Bedienten" können aber nach dem grammatischen Zusammenhange, sowie in Vergleichung mit sonstigen ähnlichen Bestimmungen eben nur andere Königliche Bediente verstanden werden. Um faßte der Ausdruck „andere Bediente" wirklich alle Civilbeamte, so wäre es offenbar ganz unlogisch, neben diesen und vor denselben die zum Civilstande gehörigen Königlichen in wirklichen Diensten stehenden oder Titularräthe noch besonders aufzuführen, da einleuchtend diese doch immer nur zu jenen gehören und eine besondere Klasse der allgemeinen Gattung bilden würden: denn alle Beamte des Staats, welche zum Militairstande nicht gehören, sind unter der allgemeinen Benennung von Civilbedienten begriffen, § 68. II. 10. des Allgem. Landrechts. Eine dreifache Unterscheidung, wie sie oben aufgestellt ist, findet sich aber auch in der Verordnung vom 7. Februar 1817, Gesetz-Sammlung 1817 S. 61. - insofern wieder, als dort die §§ 1. bis 5. die Rangordnung der verschiedenen Klassen der in wirklichen Diensten stehenden Königlichen Räthe regeln, der § 6. zu A. die Titularräthe in zwei Klassen theilt und eben

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