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in seiner Fassung selbst nicht mehr der reinen evangelischen Conception 1; denn er ist dem katholischen Busssacrament angenähert. Der Hinweis auf die ecclesia ist in diesem Zusammenhang eine mindestens irreführende Concession, und die Zertheilung der paenitentia in contritio und fides, wobei jene vorangestellt ist und nur diese ausdrücklich auf das Evangelium zurückgeführt wird, ist sehr bedenklich. Aber am bedenklichsten ist, dass der Artikel der katholischen Vorstellung Vorschub leistet, als falle der Christ, wenn er fällt, jedesmal aus dem Gnadenstande und müsse nun durch das Busssacrament wieder in denselben aufgenommen werden. In dieser Betrachtung wäre, wenn sie unmissverständlich deutlich dem Artikel zu Grunde läge, das Hauptstück des evangelischen Glaubens verleugnet. Dieser Glaube macht zwischen Sünde und Sünde keinen Unterschied, wie die katholische Lehre, und er weiss, dass wir täglich viel sündigen". Wenn damit stets die Auflösung des Gnadenstandes verbunden zu denken wäre, so wären wir mitten in den Katholicismus zurückgeführt, und es wäre völlig gleichgiltig, ob wir die übrigen Lehren desselben annehmen würden oder nicht. Denn von diesem Artikel darf man in der evangelischen Kirche nicht weichen, dass Gott seinem Kinde, dem gerechtfertigten Christen, die Sünden vergiebt, dass also die Sündenvergebung und Rechtfertigung nicht nur in der iustificatio impii besteht, sondern dass der Christ von der Sündenvergebung lebt und trotz Sünde und Schuld ein Kind Gottes ist. Diesen Hauptgedanken, dass der Christ nicht aus der Gnade fällt, wenn er sich des Gottes getröstet, der Sünden vergiebt, hat die Augustana im 12. Artikel mindestens verschleiert, während er sonst doch das Fundament vieler ihrer wichtigsten Ausführungen bildet. Wie könnte denn Alles das zu Recht bestehen, was die Augustana über das stetige Gottvertrauen so eindrucksvoll lehrt, wenn der Christ sich seiner Kindschaft nicht stetig getrösten dürfte! Aber in welcher traurigen Weise hat man diesen Artikel verdunkelt der Gefahr der Laxheit willen, die doch nun von einer anderen Seite um so schlimmer kam, wie dunkel ist er noch jetzt im Protestantismus, und wie schwer fällt es, die berufenen Lehrer des christlichen Volkes davon zu überzeugen, dass man den stumpfen Gewissen De paenitentia docent, quod lapsis post baptismum contingere possit remissio peccatorum quocunque tempore, quum convertuntur, et quod ecclesia talibus redeuntibus ad paenitentiam absolutionem impertiri debeat. Constat autem paenitentia proprie his duabus partibus. Altera est contritio seu terrores incussi conscientiae agnito peccato; altera est fides, quae concipitur ex evangelio seu absolutione, et credit propter Christum remitti peccata, et consolatur conscientiam et ex terroribus liberat. Deinde sequi debent bona opera, quae sunt fructus paenitentiae."

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den Ernst des Evangeliums nur durch die Verkündigung der Liebe Gottes vorzuhalten vermag!

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C. Der dritte Punkt ist Luther's Lehre vom Abendmahl1. An unzähligen Stellen hat Luther bekannt, dass Wort und Sacrament die Heilsmittel sind, weil sie die Sündenvergebung enthalten, und dass schlechthin nur in dieser ihr Werth beschlossen liegt. „Mit grimmiger Verachtung" hat er alle phantastischen Vorstellungen, welche von dem abführen, was allein dem Christen Trost gewähren kann, oft genug abgewiesen. Demgemäss durfte seine Lehre vom Abendmahl nur lauten, dass das Wort Gottes, welches mit und bei dem Essen ist, die Sündenvergebung bringt und damit Leben und Seligkeit schafft. Die Frage nach dem Leibe und Blute Christi im Sacrament durfte daher überhaupt keine theologische Frage werden Theologie" im Sinne Luther's oder, wenn sie es wurde, musste sie in strengster Beziehung zu dem geschichtlichen Christus erörtert werden; denn nur durch das Werk des geschichtlichen Christus ist das Wort Gottes das Wort der Sündenvergebung. Dann konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass der Leib und das Blut Christi eben das seien, was er in den Tod gegeben hat, d. h. sein natürlicher menschlicher Leib. So allein konnten ihn auch seine Jünger verstehen. War aber der Leib, den er seinen Jüngern zu essen gab, sein natürlicher Leib, so ist damit ohne Weiteres klar, dass es sich in Bezug auf den Leib um ein Symbol handelt, während der Glaube die Sündenvergebung keineswegs bloss symbolisch erhält. Es ist dann ferner klar, dass der Christ durch das Abendmahl nicht in eine nähere, mystische Beziehung zu Christus gesetzt wird als durch das Wort, welches ja auch nicht ein blosser leerer Schall von Christus ist, sondern die Kraft, die von seinem geschichtlichen Werke ausgeht. Es ist aber endlich die Vorstellung von einer ,,näheren, mystischen" Beziehung des Christen zu Christus im Sinne der evangelischen Glaubensauffassung Luther's überhaupt die schlimmste Ketzerei; denn sie stellt die souveräne Kraft und vollgiltige Wirksamkeit des Wortes Gottes zu Gunsten einer halbdunklen Empfindung in Frage und beraubt damit den Gewissen den vollen Trost des Wortes Gottes. Es muss also aufs strengste dabei bleiben, dass die verschiedenen sinnlichen Zeichen, unter denen das Wort dargereicht wird, zwar keineswegs gleichgiltig sind, dass ohne dieselben ein Ge

1 S. Dieckhoff, Die evangel. Abendmahlslehre (1854) S. 167 ff. H. Schultz, Die Lehre vom hl. Abendmahl 1886. Schmid, Der Kampf der luth. Kirche um L.'s Lehre vom Abendmahl 1868. Sehr ausführlich auch Thomasius-Seeberg II S. 522 ff.

Harnack, Dogmengeschichte III.

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schichtliches überhaupt nicht vorgestellt werden kann, dass sie das Werk des geschichtlichen Christus in verschiedener Weise den Herzen nahe bringen, dass sie aber der Kraft des Wortes nichts hinzuzufügen vermögen.

Wenn im Folgenden eine andere Auffassung Luther's dargelegt werden muss, so hat man sich stets zu erinnern, dass er die eben entwickelte aufs kräftigste vertreten und nie aufgegeben hat; denn sogar durch die Schriften, welche man mit Recht für eine andere Betrachtung citirt, zieht sie sich deutlich genug hindurch. Es bedarf keiner Stellen, um sie zu belegen; denn z. B. der kleine Katechismus bezeugt sie, und sie allein. Man kann sich gegen dieselbe doch nicht auf das Wörtchen wahr" in dem Satze: Es ist der wahre Leib" berufen, mag Luther auch sicherlich hierbei schon an den Gegensatz zu Zwingli gedacht haben. Um den wahren" d. h. den geschichtlichen Christus handelt es sich auch im Wort, und nicht nur das Wort, sondern dieses allein hat nach Luther die Kraft, den wahren Christus, der für die Sünder gestorben ist, in den Herzen zu vergegenwärtigen.

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Dennoch ist er in der Betrachtung des Abendmahls auf eine „Ergänzung" der Glaubensvorstellung gerathen, die er aufs hartnäckigste vertheidigt und zu einem articulus stantis et cadentis ecclesiae gestempelt hat. Er hat damit ein Heer von Uebeln über die Schöpfung gebracht, die er hinterlassen hat: die Lehre vom Sacrament überhaupt wurde verwirrt, der Auffassung des opus operatum ein Thor geöffnet, der Doctrinarismus verstärkt, die evangelische Christologie in die traurigen Bahnen der verlassenen Scholastik geleitet und so eine Orthodoxie aufgerichtet, die nothwendig engherzig und lieblos werden musste. Das sind die schweren inneren Folgen gewesen. Die äusseren sind bekannt genug; sie haben den Protestantismus zerspalten. Dennoch sind diese nicht die schlimmsten gewesen; ja man kann hier sogar umgekehrt sagen, die zeitweise Isolirung der lutherischen Reformation war nothwendig und heilsam, damit sie sich nicht auf fremdem Gebiete verlöre. Hätte Luther in der Abendmahlsfrage nachgegeben, so hätte das kirchliche und politische Verbindungen zur Folge gehabt, die aller Wahrscheinlichkeit nach für die deutsche Reformation verhängnissvoller gewesen wären als ihre Isolirung; denn die Hände, die sich nach Luther ausstreckten Karlstadt, Schwenkfeld, Zwingli u. s. w. und die scheinbar nur durch die Abendmahlslehre am Zugreifen gehindert waren, waren keine reinen Hände. Grosse politische Pläne und bedenkliche Unsicherheiten in Bezug auf das, was evangelischer Glaube ist, sollten Bürgerrecht in der deutschen Reformation erhalten. Da bildete die Abendmahlslehre eine heilsame Schranke. Das, was Luther

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geltend machte, war, auf den Wortlaut gesehen, nicht richtig; aber es entsprang letztlich der Absicht des einzigen, starken Mannes, seine Sache, so wie sie ihm aufgegangen war, rein zu erhalten und sich nichts Fremdes aufdringen zu lassen; es entsprang dem berechtigten Misstrauen, ob jene Leute nicht einen anderen Geist hätten als er. In der Wahl des Mittels hat er sich vergriffen; in der Sache, sofern es sich um die Abwehr verfrühter Unionen handelte, hatte er wahrscheinlich Recht.

Damit ist schon ein Motiv für seine „Ergänzung" der Abendmahlslehre genannt, und vielleicht das stärkste. Luther fürchtete, resp. erkannte, dass seine Gegner, einschliesslich Zwingli's, die Gnadenmittel überhaupt unterschätzten, dass sie den „Geist" predigen, ohne die Bedeutung des Wortes zu erkennen. Die Versuchung, die Gewissheit des Ineinander von Geist (Heilsgut) und Mittel scheinbar am sichersten dadurch zu erweisen, dass man im Abendmahl die Gegenwart des leibhaftigen Christus lehrte, war sehr gross. Dieser Versuchung ist Luther, wenn er sie auch immer wieder in seinem ursprünglichen Sinn corrigirte, erlegen. Zweitens schien ihm der Schriftbuchstabe keine andere Deutung zuzulassen, und an diesen Schriftbuchstaben fühlte er sich gebunden. So hat er schon vor dem Jahre 1524 die Ueberzeugung ausgebildet, dass im Sacrament des Altars die Sündenvergebung so enthalten sei, dass sie durch die äussere Darreichung des wahrhaftigen Leibes und Blutes Christi (zum Essen und zum Trinken) gegeben werde. Zuerst kehrte er diese Erkenntniss gegen Karlstadt und suchte durch Briefe wider diesen zu wirken. Seit 1525 wendete er sich indirect, seit 1526 direct auch gegen Zwingli, den er nicht ganz ohne Grund der Parteinahme für die Schwärmer für verdächtig hielt. Zwingli hat das freilich abgestreift und war auch schon damals in der rechtfertigenden Heilslehre wesentlich fest nicht zum mindesten durch Luther's Schriften ; allein um Luther's Stellungnahme gegen Zwingli zu verstehen, muss man diesen Verdacht im Auge behalten. In dem Schriftenwechsel, der nun zwischen beiden Reformatoren begann, hat Luther seine Anschauung ausgeführt und ist, von Zwingli gedrängt, immer tiefer in die Scholastik hineingerathen 2. Zu

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1 Karlstadt hatte gelehrt, dass Christus mit touto auf seinen wirklichen Leib, mit dem er vor seinen Jüngern sass, gewiesen habe.

2 Die ältesten Schriften Luther's über das Abendmahl sind „Sermon von dem hochwürdigen Sacrament des hl. wahren Leichnams Christi“ 1519, „Erkl. Dr. L.'s etlicher Artikel in seinem Sermon v. d. hl. Sacr.", 1520, „Sermon von dem NT., d. i. v. d. hl. Messe" 1520 (Erlang. Ausg. XXVII). Vom Missbrauch der Messe" 1522, „Von beiderlei Gestalt des Sacraments zu nehmen“ 1522, „Vom Anbeten des Sacraments des hl. Leichnams Christi“ 1523 (XXVIII). „Wider die himmlischen Propheten v. d. Bildern u. Sacrament" 1524/5, „Sermon v. d. Sacrament des Leibes

nächst liess er sich einreden, der wahrhaftige Leib müsse der Leib des erhöhten Christus sein; denn der geschichtliche Leib ist ja allerdings im Kreuzestode abgethan. Auf den Einwand aber, dass es unmöglich sei, dass der verklärte Leib des Erhöhten im Brote und Wein sein könne, erwiederte er so, dass er die Vorstellung von der untrennbaren Einheit der Gottheit und Menschheit in dem geschichtlichen Christus auf den Erhöhten ausdehnte und, um diese vorstellig zu machen, die Scholastik Occam's zu Hülfe rief. „Die Sophisten" (seine alten Feinde!) so bekennt er nun „reden hiervon recht, da sie sagen: Es sind dreierlei Weise an einem Ort zu sein, localiter oder circumscriptive, definitive, repletive, welchs ich umb leichteren Verstandes willen will also verdeutschen" 1.

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u. Blutes Christi, wider die Schwarmgeister" 1526 (XXIX). „Dass diese Worte noch feststehen" 1527, „Bekenntniss vom Abendmahl Christi“ 1528 (XXX). „Kurzes Bekenntniss Dr. M. L.'s vom hl, Sacrament" 1545 (XXXII). Dazu verschiedene Briefe, vor Allem der an die Strassburger vom Dec. 1524 (s. auch seine Urtheile über die „Böhmen") mit dem berühmten Satz: „Das bekenne ich, wo Carlstad oder jemand anders vor 5 Jahren mich hätte mögen berichten, dass im Sacrament nichts dann Brot und Wein wäre, der hätte mir einen grossen Dienst than... Aber ich bin gefangen, kann nit heraus; der Text ist zu gewaltig da, und will sich mit Worten nit lassen aus dem Sinn reissen.“ Zwingli tritt in den Abendmahlsstreit durch seinen Brief an Alber (Nov. 1524). Es folgten sein „Commentarius“, seine „Klare Underrichtung" (1526), sein „Amica exegesis" (1527), die „Fründlich Verglimpfung“, „dass diese Worte ewiglich den alten Sinn haben werdend" (1527). Briefe und Schriften der südwestdeutschen Theologen spielen in dem Streit eine wichtige Rolle. Am bedeutendsten ist Oekolampad's Schrift de genuina verborum domini etc. expositione liber“. Zwingli fasste das „est" der Einsetzungsworte ,es bedeutet“, nahm Joh. 6 als Commentar der Einsetzungsworte, liess also nur eine symbolische Auslegung des Leibes und Blutes Christi im Sacrament zu, verrieth keine Plerophorie und Sicherheit in der Auffassung des Sacraments als eigenthümlicher Ausgestaltung des Worts", fasste die Handlung wesentlich als sacrificiell (nota ecclesiae, Erinnerung) und liess sich doch von Luther auf das scholastisch-christologische Gebiet ziehen, auf welchem er durch seine doctrinäre Fassung der Zweinaturenlehre und durch die dem Nestorianismus sich annähernde Zerspaltung der Naturen nicht nur keine Lorbeeren erntete, sondern einen merkwürdigen Mangel an religiöser Einsicht in das Problem neben einem verwunderlichen Zutrauen zur Bedeutung sophistisch-scholastischer Formeln verrieth. Die südwestdeutschen Theologen, soweit sie nicht mit Brenz zu Luther hielten, redeten einer mystischen Abendmahlsauffassung das Wort, welche die Nachtheile der lutherischen Fassung mit den Nachtheilen der Zwingli'schen verband und nachmals von Calvin und Melanchthon aufgegriffen worden ist. Aber sehr Tüchtiges leistete Oekolampad in dem Bericht über die patristische Lehre.

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1 Bek. v. Abendmahl (XXX S. 207 ff.). Wie anders noch in der Schrift vom Jahre 1519 (XXVII S. 38): „Etliche uben ihre Kunst und Subtilikeit, trachten, wo das Brot bleibt, wenns in Christi Fleisch verwandelt wird, und der Wein in sein Blut? Auch wie unter so einem kleinen Stück Brots und Weins muge der

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