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Afrikaner gebildet und von ihm die Grundlagen seiner frommen Betrachtungen überkommen hat. Soweit Bernhard ein System der Contemplation darbietet und den Entwickelungsgang der Liebe schildert bis zu jener vierten und höchsten Stufe, wo der von der Selbstliebe sich aufwärts erhebende Mensch in der Liebe zu Gott ganz aufgeht und jenen momentanen Excess erfährt, in welchem er Eins wird mit Gott soweit hat er einfach das nacherlebt, was Augustin zuerst erlebt hat. Ja selbst die Sprache ist im höchsten Masse abhängig von der Sprache der Confessionen 3. Aber auch die Beziehung auf Jesus Christus hat Bernhard von dem grossen Führer gelernt. Wie dieser schreibt er: „Dürre ist jede Speise der Seele, wenn sie nicht mit dem Oele Christi begossen worden. Wenn du schreibst, sagt es mir nicht zu, wenn ich nicht Jesum darin lese. Wenn du über religiöse Gegenstände dich mit mir unterredest, sagt es mir nicht zu, wenn nicht Jesus darin ertönt. Jesus mel in ore, in aure melos, in corde iubilus" 5. Allein hier ist nun Bernhard einen Schritt über Augustin hinausgegangen. Die Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist", ist ihm aufgegangen, wie sie niemals einem Christen der alten Welt (selbst Augustin nicht) aufgegangen ist, weil jene alten Christen wohl die Askese als das Mittel der Entkörperung zu verehren, nicht aber Leiden und Schmach, Kreuz und Tod als die Gestalt des Göttlichen zu erkennen vermochten. Das Studium des Hohenliedes (nach Anweisung des Ambrosius) und die durch die Kreuzzüge entflammte Stimmung haben ihn vor das Bild des gekreuzigten Heilandes als des Bräutigams der Seele geführt. In dieses Bild versenkte er sich. Aus den Zügen des leidenden Christus strahlte ihm die Wahrheit und die Liebe. In buchstäblichem Sinne hängt er an seinen Lippen und betrachtet seine Gliedmassen: „Dilectus meus, inquit sponsa, candidus et rubicundus. In hoc nobis et candet veritas et rubet caritas" ". Die Grundlage für diese Christus-Contemplation - die Wunden Christi

1 Es gilt dies in einem viel grösseren Umfang, als es Neander nachweist.

2 Caritas und humilitas sind die Grundbegriffe der Ethik Bernhard's.
S. die Schrift de diligendo deo.

4 S. die zahlreichen Stellen in den Confessionen.

In cantic. cantic. XV, 6.

Wie ihm das Kreuz Christi der Inbegriff alles Nachdenkens und aller Weisheit ist, s. sermo XLIII; über die Hoheit in der Niedrigkeit s. XXVIII und XLII ; de osculo pedis, manus et oris domini III; de triplici profectu animae, qui fit per osculum pedis, manus et oris domini IV; de spiritu, qui est deus, et quomodo misericordia et iudicium dicantur pedes domini VI; de uberibus sponsi i. e. Christi IX; de duplice humilitate, una vid. quam parit veritas et altera quam inflammat caritas" XLII etc. etc.

als das deutlichste Zeugniss seiner Liebe

haben Ambrosius und Augustin geschaffen (Christus tamquam homo mediator), und das Bild vom Seelenbräutigam geht bis auf Origenes und Valentin zurück (vgl. auch Ignatius); aber erst Bernhard hat der frommen Stimmung die Anschauungen gegeben; er hat die neuplatonischen Exercitien der Erhebung zu Gott mit der Betrachtung des leidenden und sterbenden Erlösers verbunden und die Subjectivität der Christusmystik und -lyrik entfesselt 1.

1 S. die Gedichte Bernhard's und die 86 Sermone über das Hohelied, welche die Art der Frömmigkeit der folgenden Generationen bestimmt haben. Jene Predigten sind die Quelle der katholischen Christusmystik geworden. Ritschl (Lesefrüchte aus dem hl. Bernhard, Stud. u. Krit. 1879 S. 317-335) hat jedoch daran erinnert (s. Neander, a. a. O. S. 116), dass in diesen Sermonen auch wahrhaft evangelische Gedanken zum Ausdruck gekommen sind. „Den Grund davon musste ich darin erkennen, dass der Prediger die Lehrstoffe nicht in dem geschichtlichen Verlauf aufgefasst hat, welchen die dogmatische Theologie bei Katholischen wie bei Evangelischen innehält, und welcher so beschaffen ist, dass bei den früher dargestellten Lehren niemals auf die folgenden gerechnet wird. Vielmehr ergiebt sich ohne Schwierigkeit, dass der Prediger die Lehrpunkte so gebraucht, wie sie sich in dem praktischen Gesichtskreise darstellen." Ritschl macht auf folgende Stellen aufmerkam (s. auch Wolff, Die Entw. d. einen christl. K. 1889 S. 165 ff.): Sermo LXIX, 3 (der Werth der Erbsünde der Grad des Schadens wird nach der Wiedergeburt bestimmt); Sermo LXXII, 8 (Bedeutung des Todes: er muss bei den Erlösten, „propter quos omnia fiunt", nicht als Zornäusserung Gottes, sondern als Barmherzigkeit gedeutet werden, als Act der Erlösung von dem Widerspruch zwischen dem Gesetz in den Gliedern und dem geheiligten Willen); Sermo XXII, 7—11 (Gerechtigkeit aus dem Glauben: sie ist nicht gleichbedeutend mit der Befähigung zu guten Werken, sondern — „unde vera iustitia nisi de Christi misericordia? . . . soli iusti qui de eius misericordia veniam peccatorum consecuti sunt ... quia non modo iustus sed et beatus, cui non imputabit deus peccatum"); Sermo XX, 2; XI, 3; VI, 3 (Erlösungswerk Christi: das Werk der Liebe [„non in omni mundi fabrica tantum fatigationis auctor assumpsit"], dessen Modus die exinanitio Gottes ist, dessen Frucht nostri de illo repletio, und welches desshalb göttlich ist, weil Christus hier das Verhalten beobachtet hat, welches das Verhalten Gottes ist, nämlich die Sonne aufgehen zu lassen über Gute und Böse. Die communicatio idiomatum ist hier nicht im griechischen Sinne verstanden, sondern wird an den Motiven Christi aufgewiesen; VI, 3: „dum in carne et per carnem facit opera, non carnis sed dei . . . manifeste ipsum se esse iudicat, per quem eadem et ante fiebant, quando fiebant. In carne, inquam, et per carnem potenter et patienter operatus mira, locutus salubria, passus indigna evidenter ostendit, quia ipse sit, qui potenter sed invisibiliter saecula condidisset, sapienter regeret, benigne protegeret. Denique dum evangelizat ingratis, signa praebet infidelibus, pro suis crucifixoribus orat, nonne liquido ipsum se esse declarat, qui cum patre suo quotidie oriri facit solem super bonos et malos, pluit super iustos et iniustos ?"); Sermo XXI, 6. 7; LXXXV, 5 (das wiederhergestellte Ebenbild Gottes im Menschen); Sermo LXVIII, 4, LXXI, 11 (die Gründung der Kirche als Zweck der Erlösung); LXXVIII, 3 (Kirche und Prädestination); Sermo VIII, 2, XII, 11, XLVI, 4, IL, 5 (Begriff und Merkmale der geschichtlichen Kirche, wo die

muss

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Allein trotz aller Steigerung der Anschauung und trotz der lebendigsten Hingabe an die Person Christi: auch Bernhard hat ienen schweren Tribut bezahlen müssen, den jeder Mystiker leisten die Stimmung der Verlassenheit nach dem seligen Gefühl der Vereinigung und die Vertauschung des geschichtlichen Christus mit dem zerfliessenden Bilde des idealen. Das Letztere ist bei ihm besonders auffallend. Man sollte erwarten, dass, wer sich so in das Bild des leidenden Christus versenkt, unmöglich die Anweisung des Origenes und Augustin zu wiederholen vermag, man müsse vom Wort der Schrift und vom fleischgewordenen Wort zum „Geist“ aufsteigen. Und doch hat Bernhard diese letzte und bedenklichste Anweisung der Mystik, welche das geschichtliche Christenthum aufhebt und zum Pantheismus führt, aufs deutlichste wiederholt. Zwar was er ep. 106 geschrieben hat über die Nutzlosigkeit des Studiums der Schrift gegenüber der praktischen Nachfolge Christi1, lässt sich noch im Sinne des Gedankens, dass das Christenthum nicht gewusst, sondern erlebt werden soll, deuten. Aber unzweideutig sind die Ausführungen im 20. Sermon zum Hohenlied. Hier wird die Liebe zu Christus noch als eine gewissermassen fleischliche bezeichnet, welche von dem bewegt wird, was Christus im Fleische gethan oder geboten hat. Zwar ist es werthvoll, dass Bernhard die Stimmung der Rührung und Zerknirschung, welche das Bild des Menschen Jesus erregt, nicht für die höchste hält, vielmehr in ihr ein Stück fleischlicher Liebe erkennt. Allein er fährt dann fort, dass man sich überhaupt von dem Bilde des geschichtlichen Christus in wahrhaft geistlicher Liebe zu dem Christus xarà veuμa erheben müsse, und beruft sich dafür auf Joh. 6 und II Kor. 5, 16. Aller Mystik ist in der Folgezeit dieser Zug geblieben. Sie hat von Bernhard die Christuscontemplation gelernt 2;

juristisch verhärtete Auffassung ganz fehlt; XII, 11 heisst es, kein Einzelner solle sich für die Braut Christi erklären; die Glieder der Kirche nehmen nur an der Ehre, welche der Kirche als der Braut gebührt, Antheil). Vgl. auch Ritschl, Gesch. des Pietismus I S. 46 ff., und Rechtfert. u. Versöhn. I2 S. 109 ff., wo dargelegt ist, wie der Gedanke der Gnade bei Bernhard Alles beherrscht.

1 1„Was suchst du im Worte das Wort, welches schon als das fleischgewordene dir vor Augen steht? Wer Ohren hat zu hören, der höre ihn im Tempel rufen: Wen dürstet, der komme zu mir und trinke... O wenn du nur einmal etwas von dem fetten Mark des Getreides, mit welchem das himmlische Jerusalem gesättigt wird, kostetest, wie gern würdest du die jüdischen Schriftgelehrten an ihren Brotkrusten nagen lassen... Experto crede, aliquid amplius invenies in silvis, quam in libris. Signa et lapides docebunt, quod a magistris audire non possis."

2,,Als Prophet und Apostel ist Bernhard verehrt worden „bei allen Völkern Galliens und Germaniens". Rührend ist die Klage Odo's von Morimond (s. Hüffer,

aber sie hat zugleich den pantheistischen Zug der Neuplatoniker und Augustin's übernommen1. In der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ist die neue Frömmigkeit bereits eine gewaltige Kraft in der Kirche 2. a. a. O. S. 21 ff.), zugleich ein Beweis von dem unvergleichlichen Eindruck der Persönlichkeit. Seit Augustin war ein solcher Mann der Kirche nicht mehr geschenkt worden. Vivit Bernardus et nardus eius dedit odorem suum etiam in morte." Sein Leben ist verborgen mit Christus in Gott", damit tröstete sich der Schüler am Grabe. „Verba eius spiritus et vita erant." Das Andenken an die Tage, da Bernhard als Kreuzprediger durch die deutschen Gauen wandelte, hat sich lange Zeit erhalten; denn einen solchen Prediger hatten die Deutschen noch nie gehört; s. die historia miraculorum in itinere Germanico patratorum bei Migne CLXXXV, Hüffer S. 70 ff. (der freilich merkwürdig leichtgläubig ist). Der Briefwechsel Bernhard's steht (s. Hüffer S. 184 ff.) an Bedeutung und an Umfang im 12. Jahrhundert einzig da. Fast 500 Briefe von ihm selber sind erhalten.

1 1 Das „excedere et cum Christo esse" (s. LXXXV) ist auch von Bernhard so verstanden, dass die Seele sich selbst verliert und in den Umarmungen des Bräutigams aufhört, ein eigenes Selbst zu sein. Wo aber die Seele in die Gottheit untergeht, da löst sich die Gottheit in das All-Eine auf.

Die Nachfolge Christi wird die Losung; sie durchbricht die Schranken, welche die Dogmatik gezogen, und wendet sich zum Herrn selbst hin. Allen Verhältnissen des Lebens wird der leidende, demüthige und geduldige Heiland als Vorbild hingestellt. Welch' eine Belebung war die Folge! Allein von hier aus konnte sich auch eine Vertraulichkeit des Gefühls entwickeln, die mit der Ehrfurcht vor dem Erlöser streitet, und indem die Bedeutung Christi einseitig in dem Vorbildlichen angeschaut wurde, mussten andere wichtige Seiten verkümmern. Bei Bernhard ist das noch nicht der Fall; aber schon bei ihm ist man erstaunt, wie das griechische dogmatische Schema der Christologie in praxi einem ganz anderen hat Platz machen müssen. Nachdem er in dem 16. Sermon durchgeführt, dass die schnelle Verbreitung des Christenthums lediglich aus der Predigt von der Person Jesu zu erklären ist, dass das Bild Jesu den Zorn gedämpft, den Stolz gedemüthigt, die Wunde des Neides geheilt, die Ueppigkeit eingeschränkt, die Begierde ausgelöscht, die Habsucht gezügelt, kurz das ganze gemeine Trachten der Menschen in die Flucht geschlagen hat, fährt er fort: „Siquidem cum nomino Jesum, hominem mihi propono mitem et humilem corde, benignum, sobrium, castum, misericordem et omni denique honestate ac sanctitate conspicuum, eundemque ipsum deum omnipotentem, qui suo me et exemplo sanet et roboret adiutorio. Haec omnia simul mihi sonant, cum insonuerit Jesus. Sumo itaque mihi exempla de homine et auxilium de potente." So schrieb man, während man in thesi den Adoptianismus verwarf! Diese bernhardinische Christologie, deren Wurzeln bei Augustin liegen, verlangt keine Zweinaturenlehre, sondern schliesst sie aus. Sie ist völlig gedeckt durch die Formel, dass Jesus der sündlose, im Leiden sich bewährende Mensch ist, dem die göttliche Gnade, von der er lebt, die Kraft verliehen hat, dass sein Bild in anderen Menschen Gestalt gewinnt, d. h. zur Gegenliebe reizt und die Demuth verleiht. Caritas und humilitas waren das praktische Christenthum, bis der hl. Franz die letztere in der Forderung der Armuth ebenso anschaulich gemacht hat, wie die Liebe in der Nachahmung des Leidensweges Christi zur Darstellung kommen sollte. Ueber die humilitas reden alle asketischen Tractate der Epoche; s. Petrus Comestor, Hist. evang. c. 133: „est deHarnack, Dogmengeschichte III.

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Die Subjectivität des frommen Gefühls ist in den Klöstern entfesselt 1. Aber wie derselbe Mann, der in der Stille seines Klosters eine neue Sprache der Anbetung redet, die Weltflucht predigt und dem Papste zuruft, dass er auf dem Stuhle Petri zum Dienste, nicht zur Herrschaft berufen sei wie dieser Mann zugleich in allen hierarchischen Vorurtheilen seiner Zeit befangen blieb und selbst die Politik der weltherrschenden Kirche geleitet hat, so haben auch die kirchlichen Frommen im 12. Jahrhundert den Contrast zwischen Kirche und Christenthum noch nicht empfunden. Die Anhänglichkeit des Mönchthums an die Kirche ist noch eine naive; der Widerspruch zwischen der wirklichen Gestalt der weltherrschenden Kirche und dem Evangelium, das sie predigt, wird zwar empfunden, aber immer wieder zurückgedrängt. Noch ist jener grosse Bettelmönch nicht aufgetreten, dessen Erscheinung die Krisis in dem Gewoge von Weltflucht und Weltherrschaft hervorrufen sollte. Aber schon ist die Kirche umschwebt von den zornigen Flüchen der Häretiker", die in dem mächtigen Getriebe der Herrschaft der Kirche und in der Veräusserlichung ihrer Gnadenspendungen die Züge des alten Babel erkennen.

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bita humilitas subdere se maiori propter deum, abundans (humilitas) subdere se pari, superabundans subdere se minori." Man beachte auch den nachmals in der Lehre vom Verdienst Christi so wichtig gewordenen Unterschied von debita, abundans, superabundans.

1 Sie balancirte die von anderen Seiten aus naheliegende Werkgerechtigkeit und „Verdienstlichkeit". Sehr richtig Ritschl, Rechtf. und Versöhn. Io S. 117: „Es ist eine falsche Ansicht, dass der lateinische Katholicismus des Mittelalters in der Pflege der Werkgerechtigkeit und Verdienstlichkeit aufgehe." Sie hat zu ihrem Correlat die das eigene Ich preisgebende Mystik, die bald mehr theologisch-akosmistisch, bald mehr christologisch-lyrisch gestimmt ist. Aber die schlichte Zuversicht zu dem Gott, der in Christus gnädig ist, und das Bekenntniss: „Sufficit mihi ad omnem iustitiam solum habere propitium, cui soli peccavi" (Bernh. Serm. in cant. XXIII, 15), hat Einzelnen doch nicht gefehlt. Es hat hin und her, vor Allem aber angesichts des Todes, triumphirt, wie über die Berechnungen der Werkgerechtigkeit so über die Nebel der Mystik. Flacius und Chemnitz haben mit Recht Zeugnisse für die evangelische Rechtfertigungslehre aus dem Mittelalter gesucht und gesammelt, und wie einst Augustin mit Grund erklären konnte, dass seine Gnadenlehre ihre Tradition in den Gebeten der Kirche habe, so konnte auch Chemnitz mit Recht schreiben, dass die evangelische Hauptlehre Zeugnisse aus den älteren Zeiten aufweisen könne, „non in declamatoriis rhetoricationibus nec in otiosis disputationibus, sed in seriis exercitiis paenitentiae et fidei, quando conscientia in tentationibus cum sua indignitate vel coram ipso iudicio dei vel in agone mortis luctatur. Hoc enim solo modo rectissime intelligi potest doctrina de iustificatione, sicut in scriptura traditur."

2 Das „ewige Evangelium" des Joachim von Fiore gehört dem Ende unserer Periode an und ist zunächst latent geblieben; s. Reuter, a. a. O. II S. 198 ff.

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