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so wird sie wirksamer werden, wenn möglichst Viele und möglichst Gute sich daran betheiligen. Hilft ein Heiliger mit seiner Fürbitte mit, so kann Gott im Grunde nicht widerstehen; denn die Leistung des Heiligen hat nichts zu compensiren, ist also reines Opfergeschenk an Gott. Bei dieser fürchterlichen Vorstellung, nach der der grosse Richter im Himmel von den Heiligen nichts verlangen kann, sie ihm aber Vieles schenken können, erklärt es sich, dass das System der Intercession en die wichtigste Rolle im Busssystem spielen musste. In traurigster Verkehrung des Glaubensgedankens über Christus, dass er die Menschen beim Vater vertritt, wurde er selbst in dieses System hineingezogen, und da nichts zu hoch und zu theuer war, was man nicht in diese kleinliche Rechnung als Posten einstellte, so wurde eben der wiederholte Opfertod Christi hier der wichtigste Posten: die Messen schützen am sichersten vor den Sündenstrafen im Fegefeuer, weil in ihnen Christus selbst dem Vater dargebracht, der unendliche Werth seines Leidens („pretii copiositas mysterii passionis" heisst es z. B. im vierten Capitel der Synode von Chiersey 853) aufs neue ihm vorgerückt wird, resp. das Verdienst dieses Leidens sich wiederholt. Daher ist die Anhäufung eines Schatzes von Messen das beste Palliativ gegen dieses Feuer oder doch die zuverlässigste Verkürzung desselben. 3) Da die Bussleistungen in der Theorie war stets die bussfertige Gesinnung vorausgesetzt einen dinglichen Werth vor Gott haben und dabei zum Theil gleichwerthig sind, so können sie vertauscht werden. Aber nicht nur Gleiches kann mit Gleichem vertauscht werden, sondern auch eine minderwerthige Leistung kann für voll genommen werden, wenn die Umstände die volle Leistung erschweren oder wenn fremde Fürbitte hinzutritt oder wenn das Geringere die bussfertige Stimmung hinreichend bekundet. Was früher bei der Auflegung kirchlicher Bussleistungen, die ihr Ziel in der Reconciliation mit der Gemeinde hatten, wohl angebracht war, dass man nachträglich die Busszeiten und -werke dem erprobten Büssenden verkürzte, wurde auf Gott angewendet. Zugleich erinnerte man sich, dass der strenge Richter doch auch barmherzig d. h. nachsichtig sei. So entstand das System der Nachlassungen, d. h. der Vertauschungen und Ablösungen, resp. auch Stellvertretungen. Die letzteren haben an germanischen Auffassungen ihren Ursprung, eine verborgene Wurzel aber doch schon in der antiken Zeit. Auch die Vertauschungen und Ablösungen begegnen zahlreich erst im 8. und 9. Jahrhundert (das „Wergeld" erscheint in ihnen sanctionirt); allein sie folgen bereits aus dem antiken System und sind gewiss schon lange vor der karolingischen Zeit in den Klöstern geübt

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worden. Damit sind aber die Ablässe geschaffen, sobald nämlich, unabhängig von den speciellen Umständen des einzelnen Falls, die Möglichkeit der Vertauschung zugestanden und rechtlich fixirt wurde. Diese Commutationen, die sich nur unter Widerspruch durchsetzten, haben das ganze System vollends veräusserlicht. Sie haben vor Allem die Kirche finanziell interessirt und sie, die schon Grossgrundbesitzerin war, zu einem Bankhaus gemacht. Wie ärmlich stand die griechische Kirche mit ihrem dürftigen Reliquien-, Bilder- und Lichterhandel neben der reichen Schwester, die auf jede Seele Wechsel zog! 4) Das ganze System der Verdienste und Satisfactionen hat im Grunde keine Beziehung auf die Sünden, sondern auf die Sündenstrafen. Da aber schliesslich Alles diesem Systeme diente, so wurden die Menschen dazu erzogen, sich auf die beste, sicherste und billigste Weise den Sündenstrafen zu entziehen. Das Element, welches scheinbar die Gefahren dieser ganzen Betrachtung mildert - dass nämlich die Sünde selbst ausser Spiel bleibt, da sie von Gott vergeben werden muss, der Busse und Glauben weckt, hatte bei der Masse die nothwendige Folge, dass sie überhaupt an die Sünde wenig oder gar nicht, sondern nur an die Strafe dachte. Auch wenn sie schliesslich ins Kloster gingen oder ihre Habe den Armen schenkten, thaten sie das nicht, weil sie mit Gott leben, sondern weil sie seinen Strafen entfliehen wollten. Die Strafe regierte die Welt und die Gewissen.

Man hätte es nicht nöthig, auf diese Praxis innerhalb der Dogmengeschichte einzugehen, wenn sie nicht in der Folgezeit auch das Dogma sehr wirksam bestimmt hätte. Sie hat den Augustinismus von Anfang an umgebogen und ihn nicht voll in der Kirche zur Herrschaft kommen lassen; sie hat die Christologie schon zur Zeit Gregor's I. beeinflusst, und sie hat dann in der klassischen Zeit des Mittelalters auf alle aus dem Alterthum stammenden Dogmen entscheidend eingewirkt und neue geschaffen1.

1 Ueber die Geschichte der Busse s. Steitz, Das römische Busssacrament 1854. Wasserschleben, Bussordnungen d. abendl. Kirche 1851. v. Zezschwitz, Beichte, in Herzog's R.-E. II, S. 220 ff., System der Katechetik I S. 483 ff., II, 1 S. 208 ff. Göbl, Gesch. der Katechese im Abendland 1880. Ferner über die Gesch. der Bussordnungen Wasserschleben, Die irische Kanonensammlung 2. Aufl. 1885, und Schmitz, Die Bussbücher und die Bussdisciplin der Kirche 1883. Ueber den Versuch des Letzteren, die Bussordnungen auf Rom zurückzuführen, s. Theol. Lit.-Ztg. 1883 Col. 614 ff. Ueber die Ausgestaltung der Scheidung von Klerus und Laien im 9. Jahrhundert und die beginnende Monachisirung des Klerus s. Hatch, Grundlegung der Kirchenverfassung Westeuropas, übers. von Harnack 1888 S. 87 f. 98 f. 109 f. 119 f. Ueber den Gottesdienst und die Disciplin in der karol. Zeit s. Gieseler II, 1 (1846) S. 152-170. Ueber die germanische Gerichtsver

Siebentes Capitel: Geschichte des Dogmas im Zeitalter Clugny's, Anselm's und Bernhard's bis zum Ende des 12. Jahrhunderts.

Eine zäh festgehaltene Ueberlieferung berichtet, in den letzten Jahren des 10. Jahrhunderts hätten die abendländischen Christen mit Furcht und Zittern den Weltuntergang für das Jahr 1000 erwartet; eine Art von Reformation, in lebendigster Bethätigung auf allen Ge

fassung, Fehde und Busse, Friedlosigkeit und Opfertod s. Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I S. 143 ff. 156 ff. 166 ff., über das Personalitätsprincip und die Höhe des Wergeldes und der Bussen a. a. O. S. 261 ff., über das Personalrecht des Klerus S. 269 f., über die Entstehung des geschriebenen Rechts S. 282 ff. Ueberschaut man den Zustand der germanischen Rechtsentwickelung in der Zeit der Merovinger und vergleicht ihn mit der kirchlichen Bussdisciplin, wie sie sich bis zu Gregor I. hin auf lateinischem Boden selbständig ausgebildet hat, so ist man erstaunt darüber, wie leicht sich diese Systeme ineinander schieben lassen und wirklich ineinander geschoben haben. Das von der Kirche recipirte römische Recht hat innerhalb derselben durch die Vorstellungen von der communio der diesseitigen Kirche mit den Heiligen, von den Satisfactionen, von den Verdiensten und von dem Nachlassungsrecht der Kirche gewaltige Modificationen erlebt. Vor Allem ist das kirchliche Strafrecht, welches ursprünglich den römischen Gedanken der Oeffentlichkeit der Vergehungen recipirt und sie demgemäss behandelt hatte, immer mehr zu einem privaten Recht geworden, d. h. die Vergehungen gegen Gott wurden als Beleidigungen Gottes (nicht als Störung der öffentlichen Ordnung und des heiligen unverbrüchlichen Gesetzes Gottes) betrachtet, und demgemäss trat der Gedanke ein und erhielt immer mehr Spielraum, dass sie gleichsam wie Privatklagen zu behandeln seien. Bei solchen war die Alternative am Platze: entweder Strafe oder Satisfaction (Compensation). In Bezug auf die Satisfactionen aber stellten sich nothwendig alle die Freiheiten ein, die an diesem Begriffe haften, nämlich dass der Beleidigte selbst oder die ihn vertretende Kirche ihre Höhe nachsichtig herabzumindern, sie zu vertauschen, sie zu übertragen, u. s. w. vermag. Wie leicht sich diese Betrachtung mit der germanischen verschmelzen liess, leuchtet ein. Nur ein paar Beispiele: nach germanischem Recht gilt der Satz: entweder Friedlosigkeit oder Busse; dies entspricht dem kirchlichen Satz: entweder Excommunication oder satisfactorische Bussleistungen. Nach germanischem Recht braucht die Rache nicht an dem Frevler selbst vollzogen zu werden, sondern an einem Gliede seiner Sippe, ja es galt in Norwegen z. B. als die empfindlichere Rache, statt des Todtschlägers den besten Mann der Sippe zu treffen; nach kirchlicher Anschauung bilden die Christen mit den Heiligen im Himmel eine „Sippe“, und die Bussleistung kann bis zu einem gewissen Grade oder ganz auf diese abgewälzt werden; vor Allem hat Christus durch seinen Tod im Voraus die Rache Gottes an dem frevelnden Geschlecht seiner Brüder getragen. Nach germanischem Recht kann ebenso die Compensation, die Zahlung des Sühngeldes, vertheilt werden; nach kirchlicher Praxis intercediren auf Grund der Gebete die Heiligen und bringen ihre Verdienste Gott dar, dem Sünder einen Theil der ihm auferlegten Busse abnehmend; später ist dann die Kirche geradezu auch auf die germanische Ordnung eingegangen und hat irdische Freunde, Geschlechtsgenossen, Familienglieder und Hörige die Busse mitleisten lassen, um sie

bieten der Religion sich ausprägend, sei die Folge dieser Erwartung gewesen. Längst ist dieser Bericht als eine Legende erwiesen; aber es liegt ihm, wie so vielen Legenden, eine zutreffende geschichtliche Betrachtung zu Grunde. Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts1 gewahren wir wirklich die Anfänge eines mächtigen Aufschwungs des religiösen und kirchlichen Lebens. Dieser Aufschwung steigert sich, ohne bedeutende Reactionen zu erfahren, bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts. In dieser Zeit hat er alle Kräfte des mittelalterlichen Menschen entfesselt und sich untergeordnet. Alle Institutionen der Vergangenheit und Alles, was an neuen Bildungselementen hinzutrat, hat er sich unterworfen und schliesslich auch die feindseligsten Mächte in seinen Dienst genommen und zu seinen Stützen gemacht. Im 13. Jahrhundert erscheint die Herrschaft der Kirche und das System der mittelalterlichen Weltanschauung vollendet 2.

Diese Vollendung ist nicht nur der Abschluss der mittelalterlichen Kirchengeschichte, sondern auch jener geschichtlichen Entwickelung des Christenthums, deren Anfänge bis in die Urgeschichte desselben hinaufreichen. Betrachtet man freilich das Christenthum nur als Lehre, so erscheint das Mittelalter fast wie ein Anhang zur Geschichte der alten Kirche; betrachtet man es aber als Leben, so muss man urtheilen, dass das alte Christenthum erst in der abendländischen Kirche des Mittelalters zu seiner Vollendung gekommen ist. Im Alterthum standen der Kirche die Motive, Massstäbe und Vorstellungen des antiken Lebens als Schranken gegenüber. Sie hat diese Schranken nie zu überwinden vermocht, und so ist es in der Kirche des Ostreichs geblieben: das Mönchthum steht neben ihr; die Weltkirche ist die alte Welt selbst mit christlicher Etikette. Anders im Abendland. Hier hat die Kirche die ihr eigendem Thäter zu erleichtern. In einer Hinsicht aber hat die Kirche wirklich mildernd und segensreich gewirkt. Sie hat die in engem Zusammenhang mit der Friedlosigkeit stehenden Todesstrafen ausserordentlich eingeschränkt. Sie waren ihr an sich anstössig, doppelt anstössig, wo sie auf Grund eines uralten sacralen Strafrechts als ein den Göttern dargebrachtes Menschenopfer betrachtet wurden (Brunner S. 173-177). Schon in der römischen Zeit hat die Kirche in Gallien sich bemüht, die römische Rechtspflege, wo sie auf Todesstrafe erkannte, zu mildern; sie hat das in der merovingischen Zeit mit Erfolg fortgesetzt, so dass mehr und mehr Sühnverträge an ihre Stelle traten. Das Hauptargument, welches die Kirche hier brauchte, war ohne Zweifel dies, dass Gott den Tod des Sünders nicht wolle, und dass Christus für Alle den Sühn- und Opfertod gestorben sei. So erhielt der Tod Christi eine ausserordentliche Bedeutung. Er wurde die grosse Leistung, deren Werth auch das irdische Strafrecht milderte.

1 Ueber das 10. Jahrhundert s. Reuter, a. a. O. I S. 67 ff.

'S. v. Eicken, Gesch. und System der mittelalterlichen Weltanschauung 1887.

thümlichen Massstäbe der mönchischen Askese und der Beherrschung des Diesseits durch das Jenseits1 viel sicherer durchzusetzen vermocht, weil sie nicht eine alte Kultur zu überwinden hatte, sondern lediglich an den elementarsten Mächten des menschlichen Lebens, der Lebenslust, dem Hunger, der Liebe und der Habsucht, ihre Schranken fand. So hat sie hier von den höchsten bis herab zu den tiefsten Kreisen eine Weltanschauung verbreiten können, die alle in das Kloster hätte treiben müssen, wenn nicht jene elementaren Mächte stärker wären als selbst die Furcht vor der Hölle.

Es ist nicht die Aufgabe der Dogmengeschichte, zu zeigen, wie die mittelalterliche Weltanschauung vom Ende des 10. denn hier liegen die Anfänge bis zum 13. Jahrhundert ausgebaut worden ist und sich durchgesetzt hat. Sachlich würde man auch nicht viel Neues erfahren denn der Gedankeninhalt ist der alte, wohlbekannte, neu ist nur die Projection auf alle Gebiete des Lebens, die zusammenfassende Leitung in der Hand des Papstes und die Entwickelung des religiösen Individualismus. Aber bevor wir die theils wirklich, theils scheinbar geringen Veränderungen schildern, welche das Dogma bis zur Zeit der Bettelorden erlebt hat, ist es doch nöthig, mit ein paar Strichen die Bedingungen anzugeben, unter welchen diese Veränderungen gestanden haben. Wir haben unser Augenmerk auf den Aufschwung der Frömmigkeit, auf die Entwickelung des kirchlichen Rechts und auf die Anfänge der mittelalterlichen Wissenschaft zu richten.

1. Der Aufschwung der Frömmigkeit.

Das Kloster von Clugny, gestiftet im 10. Jahrhundert, ist der Sitz der grossen Reform der Kirche geworden, welche das Abendland im 11. Jahrhundert erlebt hat. Unternommen von Mönchen, wurde sie zuerst von frommen und klugen Fürsten und Bischöfen, vor Allem von dem Kaiser, dem Stellvertreter Gottes auf Erden, unterstützt gegenüber dem

'Hierdurch ergab sich eine neue Art von Weltherrschaft, die freilich der alten sehr ähnlich wurde; denn man kann nur auf eine Weise herrschen.

2 Das Folgende z. Th. nach meinem Vortrag über das Mönchthum (3. Aufl. 1886 S. 43 ff.). Das 10. Jahrhundert zeigt zwei Punkte, von denen die religiöse Erhebung ausgegangen ist, das Kloster Clugny und die sächsische Dynastie. Man kann den Einfluss Mathilde's nicht hoch genug schätzen. Er wirkt bis zu Heinrich II. fort, ja bis zum 3. Heinrich; s. Nitzsch, Gesch. des deutschen Volkes I S. 318 f. Die kirchliche Stimmung der Dynastie und der Geist asketischer Frömmigkeit, wie er von der heiligen Beterin im Quedlinburger Kloster ausgegangen ist, ist weltgeschichtlich von derselben Bedeutung geworden, wie das in Clugny reformirte Mönchthum. Man kann behaupten, dass die Geschichte der mittelalterlichen germanischen Frömmigkeit mit Mathilde anhebt. Karl der Grosse ist noch in mancher Hinsicht ein Christ wie Konstantius und Theodosius gewesen.

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