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Sünde; manche Sünde, die wir für ganz leicht halten (z. B. Schimpfen), ist schwere Sünde; manche Sünde, die, weil sie uns zur Gewohnheit geworden, uns leicht erscheint, ist eine schreckliche Sünde (z. B. Unzucht), wenn auch sogar die Kirchenzucht ihr gegenüber lax geworden ist (78 bis 80). Alle Sünde entspringt entweder aus Unwissenheit oder aus Schwäche. Die letztere ist die schwerere; aber gegen beide hilft nur die göttliche Gnade (81). Leider aber wird die öffentliche Busse aus falscher Schwäche und Scham häufig nicht geleistet. Daher hat man Gottes Barmherzigkeit nicht nur bei der Busse nöthig, sondern auch zum Entschluss der Busse. Wer aber nicht an die Sündenvergebung in der Kirche glaubt und sie verachtet, begeht die Sünde wider den hl. Geist (82.83).

Die §§ 84-113 handeln von der Auferstehung des Fleisches. Zuerst wird die Auferstehung der Fehl- und Missgeburten besprochen (85-87); sodann das Verhältniss des neuen Leibes zum alten Stoffnicht jedes Theilchen des letzteren braucht in jenen überzugehen —, ferner die körperliche Verschiedenheit, Makellosigkeit und Geistigkeit der Leiber im Jenseits (88-91). Wie die Körper der Verdammten, die auch auferstehen, beschaffen sein werden, das soll uns nicht kümmern, obgleich hier das grosse Paradoxon vorliegt, dass ein corpus corruptibile doch nicht stirbt, resp. ein corpus incorruptibile Schmerz empfindet1 (92). Am gelindesten wird die Strafe derer sein, die nur die Erbsünde, aber keine Thatsünden haben. Ueberhaupt wird die Verdammung eine abgestufte sein, je nach dem Mass der Sünde (93). Nun kommt Augustin (94–108) ausführlich auf die Prädestination zu reden: ,nisi per indebitam misericordiam nemo liberatur et nisi per debitum iudicium nemo damnatur." Das ist das Thema. Im ewigen Leben wird es offenbar werden, warum von zwei Kindern das Eine aus Barmherzigkeit angenommen, das Andere aus Gerechtigkeit verworfen wird. Gottes Nicht-Wollen der Seligkeit ist nicht ungerecht, obgleich Alle hätten selig werden können, wenn er gewollt hätte; denn nichts geschieht, was er nicht will oder zulässt (95). Auch in der Zulassung des Bösen handelt er gut, sonst gälte der erste Artikel des Symbols nicht mehr (96). Aber wie reimt sich, wenn Gottes Wille durch keinen Willen der Creatur behindert werden kann, damit die Thatsache, dass nicht Alle selig werden, während es doch heisst: Gott will, dass Alle selig werden (I Tim. 2, 4)? Die gewöhnliche Antwort: die Menschen wollen nicht, ist augenscheinlich falsch; denn sie können doch nicht den Willen Gottes hindern, da ja Gott auch den bösen Willen zum Guten wenden kann.

'In der Hölle „mors ipsa non moritur“.

Also will Gott nicht, dass Alle selig werden, sondern er verhängt mit Gerechtigkeit über die Sünder den Tod (Röm. 9), damit der, dem die Seligkeit zu Theil wird, sich des Herrn rühme. Gott ist frei in seiner Gnadenwahl; er wäre nicht zu tadeln gewesen, wenn er nach Adams Fall Niemanden erlöst hätte; also ist er auch nicht zu tadeln, wenn er nach seiner Barmherzigkeit nur Einige erlöst, damit Niemand sich seiner Verdienste, sondern des Herrn rühme. Gottes Wille kommt in den Verdammten ebenso zum Ausdruck wie in den Seligen („hoc ipso quod contra voluntatem fecerunt eius, de ipsis facta est voluntas eius“). So gross sind die Werke des Herrn, dass nichts, was gegen seinen Willen geschieht, praeter voluntatem eius geschieht. Ein guter Sohn will, dass sein Vater am Leben bleibt, aber Gott will mit gutem Willen, dass er stirbt. Wiederum ein böser Sohn will, dass sein Vater stirbt, und Gott will es auch. Jener will, was Gott nicht will; dieser was Gott will. Doch steht jener Gott näher; denn bei uns Menschen entscheidet stets der Endzweck, Gott aber vollzieht seinen guten Willen auch durch den bösen Willen der Menschen. Er ist immer gerecht und immer allmächtig (97-102). Daher kann jene Stelle I Tim. 2, 4 nur so verstanden werden, dass Gott will, dass alle Menschenklassen selig werden oder dass Alle selig werden, die er selig machen will, Jedenfalls ist daran nicht zu denken, dass er Alle beseligen will, aber gehindert wird, es zu thun (103). Hätte Gott vorhergewusst, dass Adam, entsprechend seiner Erschaffung, für immer den Willen haben werde, ohne Sünde zu bleiben, so hätte er ihn auch in dem ursprünglichen Heil erhalten wollen; weil er aber das Gegentheil vorauswusste, so hat er seinen eigenen Willen so gerichtet, dass er Gutes wirkte durch den, der Böses that; denn ursprünglich musste der Mensch so geschaffen werden, dass er das Gute und das Böse thun konnte. Später aber wird er so werden, dass er das Böse nicht mehr wollen kann „nec ideo libero carebit arbitrio"; denn der freie Wille bleibt bestehen, auch wenn wir das Böse einst nicht mehr wollen können, wie er auch jetzt besteht, obgleich wir die Unseligkeit nie wollen können. Nur musste die Ordnung der Dinge eingehalten werden, erst das „posse non", dann das „non posse“. Aber stets ist die Gnade nöthig, auch dann, wenn der Mensch nicht gesündigt hätte; denn nur durch die mitwirkende Gnade hätte er das „non posse" erlangen können (man kann wohl freiwillig verhungern, aber man kann, ohne dass Einem Speise gereicht wird, nicht durch den blossen Appetit sich erhalten). Da aber die Sünde eingetreten ist, ist jetzt die Gnade noch viel grösser, weil nun der Wille selbst erst befreit werden musste, um dann mit der Gnade zusammenzuwirken (104-106). Auch das ewige Leben ist, obgleich Lohn der guten Werke, doch Gnaden

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geschenk, weil unsere merita munera dei sind. Gott hat eben ein Gefäss zur Ehre und eines zur Unehre gemacht, auf dass Niemand sich rühme. Der Mittler, der uns erlöste, musste auch Gott sein, ut superbia humana per humilitatem dei argueretur" und dem Menschen gezeigt würde, wie weit er sich von Gott entfernt habe, u. s. w. (107. 108). Nach diesem grossen Excurs kehrt Augustin wieder zu § 93 zurück und handelt (109) vom Zwischenzustand (in abditis receptaculis) und von der Erleichterung, die den abgeschiedenen Seelen durch das Messopfer und die Almosen der Ueberlebenden in der Kirche zu Theil wird; denn manche Seelen sind nicht so gut, dass sie dies entbehren können, und nicht so schlecht, dass es ihnen nichts nützt. Quocirca hic (in terra) omne meritum comparatur, quo possit post hanc vitam relevari quispiam vel gravari." Das, was die Kirche für die Verstorbenen thut (pro defunctis commendandis), widerspricht Röm. 14, 10; II Cor. 5, 10 nicht. Es ist für die ganz Guten eine Danksagung, für die nicht ganz Bösen ein Sühnopfer, für die ganz Bösen ohne Erfolg, aber ein Trostmittel der Ueberlebenden; ja wie es die remissio zu einer plena macht, macht es auch die Verdammung zu einer erträglicheren (110). Nach dem Gericht sind nur die zwei Staaten da, wenn auch mit verschiedenen Stufen. Man muss an die Ewigkeit der Höllenstrafen glauben, wenn man auch vielleicht annehmen darf, dass Gott ab und zu die Strafen der Verdammten erleichtert oder sonst welche Milderungen eintreten lässt. Manebit sine fine mors, sicut manebit communiter omnium vita aeterna sanctorum" (111-113).

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Augustin hätte nun seiner Ankündigung gemäss über die Hoffnung und Liebe (das Gebet) ausführlich handeln müssen; aber er unterlässt das, weil er eigentlich schon Alles berührt hat. So beschränkt er sich darauf, zu constatiren, dass die Hoffnung lediglich auf das geht, was wir im Vater-Unser bitten, dass drei Bitten Ewiges betreffen, vier Zeitliches, und dass Matthäus und Lucas im Grunde beim Vater-Unser nicht differiren (114-116). In Bezug auf die Liebe bemerkt er, dass sie das Grösste ist. Sie, nicht Glaube und Hoffnung, entscheidet, welches Mass der Gutheit einem Menschen zukommt. Ohne Liebe können Glaube und Hoffnung bestehen; sie sind aber nutzlos. Auf den in der Liebe thätigen Glauben, d. h. auf den hl. Geist, durch den die Liebe in unsere Herzen ausgegossen wird, kommt Alles an; denn dort regiert die fleischliche Lust, wo die Liebe fehlt (117). Vier menschliche Zustände giebt es, das Leben unter den altissimis ignorantiae tenebris, unter dem Gesetz (welches Erkenntniss und bewusste Sünde wirkt), unter der Gnade oder der guten Hoffnung, und unter dem Frieden (im Jenseits). So ist auch die Geschichte des Volkes

Harnack, Dogmengeschichte III.

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Gottes gewesen; aber Gott hat schon auf der ersten und zweiten Stufe seine Gnade gezeigt (118), und so wird auch jetzt der Mensch bald auf der ersten, bald auf der zweiten Stufe ergriffen und ihm alle seine Sünde in der Wiedergeburt vergeben (119), so dass ihm selbst der Tod nicht mehr schadet (120). Alle göttlichen Gebote zielen auf die Liebe, und alles Gute, wenn es aus Furcht vor Strafe oder sonst einem Beweggrund geschieht, geschieht nicht so, wie es geschehen soll, wenn es nicht aus der Liebe geschieht. Alle mandata und consilia Gottes sind in dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammengefasst und geschehen nur recht, wenn sie aus Liebe geschehen, jetzt im Glauben, dann im Schauen. Im Schauen wird Jeder wissen, was er am Anderen lieben soll. Schon jetzt nimmt die Begierde ab, wenn die Liebe wächst, bis es zu der Liebe kommt, da man sein Leben für den Anderen lässt. Wie gross wird aber im Jenseits die Liebe sein, wo es keine Begierde mehr giebt, die zu überwinden ist.

Die vulgär-katholischen Züge dieser Religionslehre kann Niemand verkennen das alte Symbol liegt zu Grunde; die Dreieinigkeits- und Zwei-Naturen-Lehre ist gläubig bekannt; die Bedeutung der katholischen Kirche ist streng gewahrt und ihr Verhältniss zur himmlischen Kirche, die das eigentliche Object des Glaubens ist, so unbestimmt gelassen, wie es die damalige Anschauung verlangte. Die Taufe ist als grande mysterium renovationis in den Vordergrund gestellt und vom Tode Christi abgeleitet, in welchem der Teufel sein Recht bekommen hat. Der Glaube ist nur als ein Vorläufiges betrachtet; das ewige Leben wird nur den Verdiensten zu Theil, welche ein Product der Gnade und der Freiheit sind. Sie bestehen in Liebes werken, die sich in den Almosen zusammenfassen. Von den Almosen wird breit gehandelt; sie constituiren die Busse. Innerhalb der Kirche ist für alle Sünden nach der Taufe Vergebung vorhanden, wenn nur eine gehörige Genugthuung geleistet wird (satisfacere ecclesiae; satisfactio congrua). Es giebt eine Sündenscala von den Verbrechen bis zu den ganz leichten Sünden des Tages. Eben desshalb giebt es eine Scala der bösen und der guten Menschen; aber auch die besten (sancti, perfecti) können nur in dem Sinn sündlos sein, dass sie keine anderen als die leichtesten Sünden begehen. Die sancti sind die vollkommenen Asketen; die Askese ist überhaupt der Gipfel der Liebe; aber nicht Alle brauchen sie zu leisten: man muss zwischen mandata und consilia unterscheiden. Im Jenseits wird es ebenso eine Scala der Seligkeit wie der Unseligkeit geben. Den abgeschiedenen Seelen, sofern sie beim Tode nur leichte Sünden ungebüsst gelassen haben, nützen die Messopfer, Almosen und

Gebete der Ueberlebenden. Sie befinden sich in einem Fegefeuer, das sie als Strafverhängniss reinigt1. Sind schon hierin vulgär-katholische Elemente sogar verstärkt und ihre zukünftige Ausarbeitung vorbereitet, so gilt das ebenso von der Lehre vom Zwischenzustand, von der zeitweiligen Linderung der Strafe der Verdammten, von der Hülfe, welche die heiligen Engel der diesseitigen Kirche leisten, von der Completirung der in Folge des Falls der bösen Engel geschmälerten himmlischen Kirche (durch die erlösten Menschen), von der Jungfräulichkeit der Maria auch in partu, von der Gnade Christi, die grösser ist als die Sünde Adams, weiter von der Annahme, dass unwissend eine falsche Religion zu haben schlimmer ist als wissend eine Lüge zu sagen, und von vielen anderen Lehren, die von Augustin in anderen Schriften entwickelt worden sind. Endlich die Auffassung vom Heil, nach der dasselbe in der visio und fruitio dei besteht, liegt Allem zu Grunde und schlägt überall durch. Doch ist das Innerlichste, der Heiligungsprocess, gebunden an geheimnissvoll wirkende Kräfte.

Aber andererseits

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diese Religionslehre ist neu. An das alte Symbol (das Apostolicum nach dem Verständniss des Nicänums) ist hier ein Stoff herangebracht, der nur ganz lose mit ihm verbunden werden kann und zugleich die ursprünglichen Elemente modificirt. In allen drei Artikeln ist die Behandlung der Sünde, Sünden

1 Nicht nur im Enchiridion hat Augustin von diesem ignis purgatorius gesprochen.

* Auch das werdende Mariendogma (s. Bd. II S. 450 ff.) ist also von Augustin eher gestärkt als geschwächt worden. Er stimmte mit Ambrosius und Hieronymus (gegen Jovinian) ganz überein. Durch ein Weib kam der Tod, durch ein Weib das Leben; Maria's Glaube hat den Heiland empfangen. Auf Julian's bemerkenswerthen Einwurf gegen die Erbsündenlehre, dass die Maria durch dieselbe dem Teufel unterworfen würde (nascendi conditione), erwiedert Augustin (Op. imp. IV, 122): „ipsa conditio nascendi solvitur gratia renascendi." Dass Augustin damit die unbefleckte Empfängniss Maria implicite gelehrt habe, darf man nicht als sicher (8. Schwane II S. 691 f.) behaupten. Dagegen hat er sie allerdings für activ sündlos gehalten; s. de nat. et gr. 36: "Excepta itaque s. virgine Maria, de qua propter honorem domini nullam prorsus, cum de peccatis agitur, haberi volo quaestionem; unde enim scimus, quid ei plus gratiae collatum fuerit ad vincendum omni ex parte peccatum, quae concipere et parere meruit, quem constat nullum habuisse peccatum? hac ergo virgine excepta si omnes illos sanctos et sanctas, cum hic viverent, congregare possimus et interrogare, utrum essent sine peccato, quid fuisse responsuros putamus, utrum hoc quod ista dicit an quod Johannes apostolus ?" Gen. ad litt. X, 18-21. Eben weil Augustin die Sündhaftigkeit aller Menschen, auch der Heiligen, zuerst energisch betont hat, die Maria aber ausnahm, hat er dazu beigetragen, der Maria eine besondere Stellung zwischen Christus und den Christen zu geben. Die passive Empfänglichkeit der Maria gegenüber der Gnade wird mit denselben Worten betont, wie die des Menschen Jesus.

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