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Liederkränze des zweiten Frauendienstes

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Die übrigen1) 25 Gedichte scheinen alle in den Zusammenhang des zweiten Frauendienstes zu gehören. Eines davon, das wertvollste Ge= dicht Morungens (143, 22), verdankt zwar seine Anregung diesem Dienste, wurde aber sehr wahrscheinlich nicht in einen der ihm geweihten Liederkränze aufgenommen, sondern zu diesem Zwecke einer mildernden Umarbeitung unterzogen, die 130,31 vorliegt. Ähnlich steht es um das Nebeneinander von 125, 19; 144, 17 und 147, 17. Bedenken erregt die Einreihung nur bei dem Gedichte 124, 32.

Diese vielen Gedichte müssen sich einst über mehrere Liederkränze verteilt haben. Es ist aber sehr schwer, eine alle Bedenken ausschaltende Anordnung zu finden, da sich eine schärfer gegliederte Entwicklung in diesem Verhältnisse überhaupt nicht bekundet. Wenn auch öfter ge= trübt, wird es doch nie, wie deutlich das erste, abgebrochen. Die Reihenfolge der Lieder in den Handschriften gibt in diesem Falle durchaus keine brauchbare Handhabe.

Ich nehme ohne mehr als Vermutungen geben zu wollen folgende Zusammenhänge an:

I. 134, 14; 135, 9; 130, 9.

II. 134, 6; 136, 1; 137, 27; 133, 13; 143, 4; 145, 1.

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Die erste Gruppe gibt die Einführung. Im ersten Geseße von 134, 14 begründet der Dichter seine Abwendung vom ersten Dienste. Schmerzlich und unklug ist es, um den Dienst einer hochstehenden Herrin zu werben, die kein Ohr für Liebesklage hat; weise dagegen, sich an eine Stelle zu wenden, wo man dem Dienste entgegenkommt und mit der Gnade nicht kargt. Dann folgt die Einleitung in den neuen Dienst. Der Dichter bedarf wohl der Gnade. Ein Weib ob der Sonne hat er sich erkoren. Es wäre eine unüberwindliche Not, wollte die Angebetete ihn nicht so ansehen, wie sie das einst tat. Lieb ist sie ihm gewesen von Kindheit an. Er ward nur um ihretwillen geboren. Aber wo ist jezt sein lieblicher Morgenstern hin? Ach, was hat er davon, daß seine Sonne aufgegangen ist? Sie ist ihm am Mittage zu hoch und viel zu fern und will da lange verweilen. Gern erlebte er noch den lieben Abend, wo sie sich ihm zum Troste wieder niedersenken würde.

1) Ich nehme natürlich die beiden unechten aus (S. 70 A.). ANuG 404: Bruinier, Minnesang

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Hier hören wir stark den Grundton des ganzen Dienstes heraus, den wehmütigen Gegensaz zwischen dem Einst, wo in unbefangener Kindheit die Geliebte als freundlicher Morgenstern dem Dichter leuchtete, und dem Jezt, wo der grelle Tag die dämmernden Hoffnungen verscheucht. An eine Erfüllung seiner Liebesträume kann der Dichter im Ernste nicht denken. Welcher Gegensatz zwischen diesem und dem ersten Frauendienste mit seinem tecken Begehren und seiner heiteren Sorglosigkeit! Dem Dichter hilft ja sein Schönheitssinn und das lebhafte Bewußtsein seines Berufes einigermaßen sein Menschenleid vergessen. Aber wenn er sich auch mit einem freundschaftlich-herzlichen Verkehre zufrieden geben möchte das Weh dringt doch immer wieder durch, daß das Geschick eine innige Verbindung mit ihr nicht mehr gestattet. Aus 124,32 entnehmen wir wohl den wirklichen Grund. Der Dichter wird, weil er von seinem Kinde spricht, dem er seine Liebesnot vererben will, anderweitig verheiratet gewesen sein. 147, 10 gewinnt unter diesem Gesichtswinkel eine tiefere Bedeutung als die einer nur geistreichen Wendung: iuwer minne hât mich des ernæetet, daz iuwer sêle ist mîner sêle frouwe.

In 135, 9 und 130,9 werden die grundlegenden Verhaltungen der beiden Menschen vorgeführt. Er hat nach 135, 9 noch nie mit ihr von seiner Liebe gesprochen. Wenn er vor ihr steht, weiß sie nicht, wie es um sein Herz bestellt ist. Ihr strahlendes Lächeln in diesen Augenblicken beunruhigt ihn. Es kann ja nicht ihm allein gelten. Ihre Schönheit tötet in ihm jeden Versuch zu einem tatkräftigen Entschlusse. Er besinnt sich nun auf das Schiefe in seiner Lage. Hat es wohl je einen Mann gegeben, der so wie er nicht gewagt hätte, seine herzliche Liebe zu gestehen? Ach, warum kann er nicht wie ein Glücklicher frei sprechen? Er muß wie ein Stummer seine Not verschweigen und sich mit Gebärden behelfen. So will er ihr sein wundes Herz zeigen, indem er vor sie hinkniet und sich zu ihren Füßen neigt.1)

Das entsprechende Gedicht 130, 9 ist leider verstümmelt. Sie hat ihm nie Krieg angesagt und geht doch immer auf seinen Schaden aus. Sie will immer noch wie eine Räuberin alle Lande mit Krieg überziehen. Denn ihre Vorzüge und Reize schlagen alle Männer, die sie ansehen, in Liebesbande und verleihen ihnen Sorgen. So ging es auch dem Dichter. Sie fing ihn gleich mit ihrem lieblichen Gruße und ihrer freundlichen Anrede. Seitdem ist er krank und im Herzen todwund. Schuld daran sind ihre hellen Augen und ihr rosenfarbener Mund.

1) Ist wohl als die S. 34 besprochene Huldigung aufzufassen.

Erster und zweiter Liederkranz

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In die zweite Gruppe habe ich die Gedichte gestellt, die sich nach der äußeren und inneren Kunst an Hausens Vorbild anschließen.

Das nur aus einem Geseße bestehende Gedicht 134, 6 ist hinsicht= lich seines Gedankenganges eines der vorzüglichsten Morungens. Mîn herze, ir schoene und diu Minne habent gesworn zuo ein ander, des ich wæne, ûf mîner freuden tôt. zwiu1) habent diu driu mich einen dar zuo ûz erkorn? ôwê Minne, gib ein teil der lieben mîner2) nôt.

teil ir si sô mite, daz si gedanke ouch machen rôt.
wünsch ich ir senens nu? daz wære bezzer gar verborn.")
lîhte ist ez ir zorn,

sît ir wort mir keinen kumber nie gebôt.

136, 1, wieder sehr gut erfunden, verbindet die auseinanderliegen= den Gruppen I und IV miteinander. Denn der Dichter sagt, daß die Herrin ihm schon in der Kindheit lieb gewesen sei, und auf den Schluß bezieht er sich in dem viel späteren Gedichte 138, 17. Seine Klage geht darauf, daß er ohne Trost von ihr geschieden sei. „Und doch saß sie vor ihm lilienweiß und rosenrot, strahlend schön wie volles Mondenlicht, der Augen Wonne, aber des Herzens Tod. Obwohl sie ihm schon so lange weh getan, ist er ihr immer treu gewesen, von einem kleinen Kinde her, immer schweigend und bauend auf den verhohlenen Wahn. Aber wie oft unterwindet er sich der Torheit, vor ihr sich hinzustellen und wunders was für Sprüche zu finden), wo er doch wieder von ihr scheiden muß, ohne ein Wort der Aufmunterung.5) Er hat so viel gesprochen und gesungen, daß er müde und heiß von seiner Klage ist. Nichts hat er erreicht, denn sie will nicht glauben, wie sehr er sie liebt und ihr ergeben ist. Hätte er nur halb so viel nach Gott gerungen, der hätte ihn vor der Zeit zu sich genommen."

137,27 zeigt eine vorzügliche Berechnung der Frauenseele. `„Soll ich dafür büßen, Herrin, daß ich dir vor allen Frauen Gutes gönne, so lasse mich nur immer in Ungnaden, wenn das deiner Trefflichkeit gut steht. Habe ich darin fehlgegriffen, so räche die Schuld, daß ich nie auf der Welt ein lieblicheres Lieb gewann. Nach seelischem Glücke sehnt sich mein Herz." In dem folgenden Geseße hören wir dann die geschickte Verteidigung gegen den Haß der Falschen, nämlich der Umgebung der Angebeteten, mit der er immer in Streit liegt. Sie verdrehen ihm den Sinn seiner Worte. Will einer gehässig sein, so soll er wenigstens

2) gib der Lieben einen Teil meiner N.

1) wozu 3) vermieden 4) vgl. S. 33 5) und muoz doch von ir ungesprochen gân. Ich fasse das ungesprochen, entgegen anderen Erklärungen, im vassiven Sinne

eine Berechtigung dazu haben. Im übrigen, so wenig frohe Tage er auch genießen mag: die sich um Freude mühen, lassen sich dadurch nicht beirren. Im dritten Geseze wird dann der hilfreiche Rat der Geliebten erbeten. Seine Sorge sei maßlos geworden. Auffälligerweise spricht der Dichter im lezten Geseze die Herrin nicht mehr geradezu an, sondern redet von ihr in der dritten Person.,,Großes hat er ihr bisher gelobt, herzliche Liebe und ganze Treue. Wohl ihm, wenn er damit der Welt Wahrheiten verkündete. Leid täte es ihm, sollte er sich ge= irrt haben." Eine hoffnungsvolle Wendung schließt das an Feinheit der Berechnung unübertreffliche Gedicht.

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133, 13 ist das leßte Gedicht in daktylischem Tonfalle. Ich empfinde wohl die philologischen Bedenken, ihm eine so späte Stelle anzuweisen. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß es früher gedichtet ist als die drei eben besprochenen; herausgegeben" kann es aber doch wohl wegen seines Inhaltes nicht eher sein. Ebenfalls im wahrsten Sinne mit Berechnung angelegt ist doch das Vermögen, die Gedanken so im Hausenschen Sinne spielen zu lassen, offenbar noch nicht so hoch entwickelt wie in den obigen drei Gedichten. Es kommt dazu, daß das Versmaß gegen eine allzu späte Entstehung spricht. In keinem der Gedichte des zweiten Dienstes wird der Dichter so deutlich, so bitter wie hier. Leidige Blicke und große Trauer haben ihn fast zugrunde ge= richtet. Sein altes Weh würde er, als wäre es neu, beklagen, wenn er nicht den Zorn der Schimpfer" fürchtete. Wenn er also wieder um derentwillen singe, die ihn zuvor erfreute, so möge bei Gott niemand das falsch auslegen, „wan ich dur1) sanc bin zer werlte geborn". Eine bittere Pille! 134, 32 hatte er, fast mit denselben Ausdrücken, die Geliebte als die eigentliche Urheberin alles seines Singens gefeiert. Zu denen, die ihm sein Singen in seiner Lage falsch deuten möchten, rechnet er im stillen auch sie; auch sie macht 143,19 mit den Schimpfern", der Hute, gemeinsame Sache. Weiter heißt es: Mancher spricht wohl:,,Seht den an, wie der singt. Ich dachte, ihm wäre so traurig zumute". Der weiß nichts von seinem Leide. Nun will er erst recht tun, wie er's früher tat. Da er in Trauer war, da hob er sie gar nicht hoch. Dies ist die eine Not, die ihn vom Singen abbringt. Trauer ist wenig angesehen, wo die Leute froh sind." Auch hier fühlen wir die versteckte Spize. Im dritten Geseze preist er seines Herzens Krone und Wonne als die schöne, schöne, schöne, allerschönste: das muß er ihr zugestehen. „Alle Welt soll sie wegen ihrer Schönheit

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1) um willen.

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umwerben. Es wäre noch Zeit, daß die Herrin ihn belohnte. Sonst hätte er mit seinem Lobe eine Torheit ausgesprochen.“ Die Bezugnahme auf die Werbungen aller Welt und der Schluß des Gesezes lassen wieder in die Falten des Dichterherzens sehen: lauter hämische Sticheleien und verhüllte Drohungen. Im lezten Geseze wird der Dichter ehrlicher und wärmer. „Steht er vor ihr und schaut das herrliche Gotteswunder, so findet er es so schön, daß er nicht weichen möchte. Ach, traurig muß er von dannen gehen. Es schob sich eine so trübe Wolke dazwischen, daß er feinen Glanz mehr von ihr erhält."

Die beiden noch ausstehenden Gedichte habe ich eigentlich nur ihrer Reime wegen hierher gestellt. Das erste enthält noch eine inhaltliche Beziehung zu dem eben besprochenen. Die Hauptklage Morungens ist nach 143, 4, daß sein Sang unter der Ungunst der Zeit leidet.,,Wie soll er sich jemals über diese freudlose Zeit, diese Jahre des unfruchtbaren Sehnens hinweg trösten können? Einst war er so froh, als sein Herz neben der Sonne zu stehen wähnte. Durch die Wolken sah er empor. Nun muß er den Blick wieder zur Erde senken. Ach, ihn trügt so sehr sein Liebeswahn. Hat er doch nur Leid und Herzensschwere von ihr. Will sie ihn etwa deswegen meiden, weil falsches Volk sie umgibt? Es ist wahrlich ein schwacher Freundesdienst, daß sie ihm mit den anderen so weh tut. Zur Liebe hört sich kein solch kranker Freundesfinn. Will sie aber die Hute auf diese Weise hintergehen, dann ist es für beide gut."

Noch mehr außerhalb des Zusammenhanges steht das lange, an einzelnen Schönheiten reiche, aber im Fortgange der Gedanken unklare Gedicht 145, 1. Auf dieses paßt besonders, was ich S. 71 über die schiefen Gedanken sagte, die bei Morungen öfter begegnen. Für dieses Gedicht ist die provenzalische Quelle bekannt. Der Dichter bekundet darin außerdem Kenntnis der Narzissussage, nach Ovids Verwandlungen 3,416 ff.

In die dritte Gruppe stelle ich die drei noch übrigen Gedichte mit welscher Durchführung der Reime durch das ganze Gesez und zwei inhaltlich mit dem letzten dieser drei verwandte Lieder. Mit dem ersten (132, 27) wird ein Ton angeschlagen, der in zwei Liedern der vierten Gruppe widerklingt. „Wie sollte er jemals wieder recht froh werden können, wenn ihr sein Wohl zuwider ist? Nie hat sein Leid ihr Mitgefühl erregt. Noch heute steht sie ihm so vor Augen wie damals, wo sie so lieblich zu ihm sprach und ihn anblickte. Ach könnte er immer so stehen! Sie hat ein kleines Vöglein lieb, das ihr vorsingt und ein

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