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Das Feudalrecht. Der Frauendienst

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lasse. Ist der Basall in Bitten oder Mahnungen zu weit gegangen, so muß er sich entschuldigen. Kommt aber der Herr seinen Pflichten nicht nach, so darf der Vasall vom Vertrage zurücktreten. Sonst ist eine Lösung des Verhältnisses nur nach einer ausdrücklichen Absage möglich, wofür die Fassung vorgeschrieben ist.

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Der Troubadour stimmt also das stärkste Gefühl, dem wir Menschen unterliegen, auf einen Grundton, der das männliche Geschlecht tief demütigen muß; er schwächt das heißeste Verlangen zu einem aussichtslosen Schmachten ab. Ich glaube, schon daraus erkennt man deutlich, daß diese Gedichte, mögen sie auch alle ein Ich zum Gegenstande haben, unmöglich Erlebnisse widerspiegeln können. Der Troubadour besingt nicht seine eigenen Gefühle, sondern erfundene. „Oft vermissen wir alle persönliche Wärme und hören statt Liebe nur Schmeichelei, statt Zärtlichkeit Höflichkeit. Erlebte Liebe aber z. B. bei Bernhard von Ventadour wird zur heftigsten Liebesklage." (Wechssler.) Das läßt sich aber auch aus dem gesellschaftlichen Range der beiden „Liebenden" erschließen. Während um wieder mit Wechssler zu reden die besungenen Frauen in der Hauptsache vornehmsten Standes sind, Gattinnen, Schwestern, Töchter von grand seigneurs, die alles überstrahlenden Sonnen eines reichen, glänzenden Hofes, find gerade die hervorragendsten Troubadours von niederster Herkunft oder doch völlig arm. Unter den Umständen mag der berühmte Jude Apelles glauben, daß diesen Liebesliedern Tatsachen zugrunde liegen könnten. Die meisten der besungenen Frauen waren verheiratet, brauchten es aber nicht zu sein, was man wohl irrtümlich als ein Haupterfordernis richtiger Troubadourdichtung angesehen hat; wesentlich ist aber der Stand der besungenen Dame als einer dompna,,Herrin“, mhd. frouwe. Die Herrin wird oft mit ihrem Namen angeredet, im Liede selbst oder in der tornada, der Zueignung. Gelegentlich wird aber neben der ,,Geliebten" auch eine andere Herrin in demselben Liede gefeiert, ja der Troubadour widmet das,,Liebeslied" gar dem Ehemanne. Das sieht doch auch nicht danach aus, als ob eigenes Gefühl diese Dichtung erzeugt hätte. Nein, wir haben es im wesentlichen mit einer richtigen Dichtung, dies Wort im eigentlichen Sinne verstanden, zu tun, bei der Geist und Verstand, nicht aber das Gefühl alles ist.

Der Frauendienst ist keineswegs die einzige Neuheit an der Troubadourdichtung. Wenigstens für den Hörerkreis neuartig waren auch die Aufstellungen dieser Dichter über Werden und Wesen der Liebe, wenn diese auch nicht ihre eigenen Erfindungen waren, sondern auf der philologischen und philosophischen Gelehrsamkeit der Zeit fußten, vor

allem auf der „Liebeskunst“ Ovids, die das ganze Mittelalter hindurch in hoher Wertschäßung stand. Die Art, wie der Troubadour dem Gefühle der Liebe in seinen Einzelheiten und Verzweigungen, Ursprüngen und Wirkungen, Ähnlichkeiten mit und Unterschieden von anderen Seelenregungen nachging, fand viel Anklang und Nachahmung, wenn auch durch sie der frischen Rose viel trockener Staub anflog. Aber der Frauendienst ist doch das eigentliche Kennzeichen dieser Dichtung. „Überaus tief war der Eindruck, den der Gedankenkreis des Frauendienstes auf die literarischgebildete Laienwelt des römisch-christlichen Europas machte. An den feudalen Höfen Nordfrankreichs, Deutschlands, Italiens und der Pyrenäenhalbinsel fand er schnellen Eingang, überall wo Fürstin und Fürst Teilnahme bekundeten. Fruchtbar weitergebildet wurde der Frauendienst nicht in dem Mutterlande, — wegen der Albigenserkriege, sondern in der französischen deutschen und italienischen Literatur. Nirgends scheinen hier dieselben äußeren und inneren realen Bedingungen, unter denen der provenzalische Minnesang entwickelt worden war, auf die Dauer vorhanden gewesen zu sein. Überall finden wir daher eine eigentümliche, stets verschiedene Umgestaltung des überkommenen." (Wechssler.)

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Der Hauptunterschied des deutschen Minnesanges von der provenzalischen Troubadourdichtung scheint mir durch die Persönlichkeiten der Dichter bedingt zu sein. In der Provence finden wir eine Be: rufsfängerschar am Werke, in Deutschland sind es zunächst nur Liebhaber, vornehme Herren wie der Graf von Rietenburg, Dietmar von Eist, Friedrich von Hausen, der Graf von Fenis oder doch Dienst= mannen, die unter auskömmlichen Verhältnissen lebten und jedenfalls nicht auf das Dichten und Singen als Lebensberuf hingewiesen waren. Der einzige Heinrich von Veldeke scheint nach seiner Stellung unter den älteren Minnesängern den Troubadours vergleichbar, später Reimar von Hagenau und Walther von der Vogelweide. So erklärt sich die größere Wärme des Tones bei den deutschen Dichtern; ihr Lied ist troz aller Vermummung persönlicher und inniger; wir vermuten mehr eigene Empfindung als dort, wenn es auch gewiß unrichtig wäre, was vielfach versucht wurde, diese Dichtungen wie die goethischen Herzensbeichten zu bewerten. Hinzu kommt der wesentliche Unterschied der Voltsarten. Dem Provenzalen sind Kunst und Geist, dem Deutschen Gefühl und Bedenken das Bestimmende; während dem Provenzalen das Neuschaffen im Sinne des Zeitgeistes Strebensziel ist, fragt der Deutsche ängstlich, ob er denn nicht von den gültigen Mustern abweiche; jener macht, dieser kehrt sich an Moden, die oft nicht die aller<

Die deutschen Minnesänger. Gliederung des Minnesangs 37 neuesten sind. Daraus erklärt sich die so häufige Unsicherheit oder Unbestimmtheit der deutschen Minnesänger in der Verwendung der Darstellungsmittel, soweit deren Zweck ist, dem Liede eine modische Färbung zu geben; meist ist diese Farbe zu dick aufgetragen, oft genug aber auch falsch gewählt. Man kann aber auch weiter sagen, daß dem deutschen Geiste überhaupt ein Dichten im Sinne des Frauendienstes wenig liegt. Geistreichen Doppelsinn rühmt Wechssler den provenzalischen Liedern nach. In der Tat sind sie hauptsächlich genießbar wegen ihres unver kennbaren echt welschen „Esprits", des Wizes im höheren Sinne, der im Grunde auf eine geschickte, oft absichtlich überraschende Verwendung der Ausdrucksmittel mit rhetorischen Beizwecken hinausläuft, willkommen wegen des feingeschliffenen Gefäßes, in dem uns der Troubadour diese Spenden reicht, das uns hinwegtäuscht über den im Grunde unbedeutenden Gehalt der Gabe. Wenn wir nun von Walther absehen, der in der Tat auch als geistreicher Mann alle Welschen übertraf, so finden wir kaum einen deutschen Minnesänger, dem man das nachsagen tönnte. Bei Reimar merkt man oft verstimmt die Absicht, geistreich zu scheinen, ohne mehr als spißfindig zu sein, und Hausens wie Morungens große Vorzüge liegen auf ganz anderen Gebieten.

Wir wenden uns nunmehr dem deutschen Minnesange selbst zu. Wir können in seiner Entwickelung drei Abfäße erkennen: den An= stieg, den Friedrich von Hausen und Heinrich von Veldeke unternehmen, ein jeder von einem anderen Ausgangspunkte aus; in ihrer Gefolgschaft finden wir Ulrich von Gutenburg, den Grafen Rudolf von Fenis, Albrecht von Johansdorf, Heinrich von Rugge, Bernger von Horheim, Hartwig von Rute und Bligger von Steinach. Für das Verweis len auf der Höhe liefern Heinrich von Morungen, Reimar von Hagenau, Hartman von Aue, Wolfram von Eschenbach und Walther von der Vogelweide die hervorragendsten Beispiele. Den langsamen und langweiligen Abstieg im 13. und 14. Jahrhunderte finden wir unterbrochen zuerst durch Walthers Lieder der niederen Minne einerseits, durch seine politischen Sprüche anderseits, die beide der Liederdichtung neue, verheißungsvollere Bahnen eröffnen; dann tritt Neidharts eigenartige Dichtung mit zahlreicher Gefolgschaft auf und raubt dem Minnesange Dichter und Hörer; endlich weiß sich, zum Teile im Anschluß an Walthers Spruchdichtung, der Meister bedeutende Geltung zu verschaffen und die bedeutendsten Köpfe unter den Lieddichtern der späteren Zeit für seine Dichtung, die der Liebe nur noch wenig Raum vergönnt, zu gewinnen. So bleiben dem Minnesange, dem sich schon Walther abzuwenden begonnen hatte, in der Zeit nach diesem bedeutendsten Sänger

des Mittelalters nur die mittelmäßigen und unbedeutenden Begabungen treu, einer der vielen verschiedenen Gründe für seinen Verfall.

In der äußeren Gestalt hebt sich der Minnesang von dem Liede in Kürenberges wise deutlich ab. Die Gedichte aus der Zeit des Anstieges tragen wohl noch alle Kennzeichen des Überganges, aber sie stehen im wesentlichen von ihrem Vorgänger viel weiter ab als von ihrem Nachfolger. Das Streben nach reinen Reimen ist für die neue Dichtung die bezeichnendste Äußerlichkeit. Nur bei Hausen finden wir noch feinen Widerwillen gegen den ererbten spielmännischen anklingenden Reim; Veldeke dagegen, den Gottfried von Straßburg deswegen nicht hoch genug preisen kann, und die anderen versuchen sich nur noch auf den steifen Stelzen des reinen Reimes und verfallen daher oft der Gefahr des Gesuchten und Gequälten. Mit dem Spielmannsreime ist wirklich sehr viel frische Kraft und munteres Leben aus unserer Dichtung geschwunden. Weiter sehen schon die frühesten dieser Dichter auf das strengste darauf, daß im mehrgeseßigen Liede stumpfe, einsilbige, und klingende, mehrsilbige, Versausgänge nicht mehr unterschiedslos erscheinen. Das eigentliche Kennzeichen der Kunst des Minnesanges ist aber die künstliche Verschlingung der Reime. Paarweise durch Reime gebundene Zeilen, wie früher, gibt es kaum noch. Die Waisen sind jeßt fast immer aufeinander gereimt. Oft wird in der ersten Zeit und bei Morungen der Doppelreim durch das ganze Gesez durchgeführt, was schon sehr an die welsche Dichtung erinnert. Die Blütezeit nimmt von diesen Reimhäufungen wieder Abstand. Die Reimsucht erzeugt sogar vielfach Binnenreime; von da zum Wortgeklingel ist es nur noch ein Schritt. Ein Beispiel aus noch früher Zeit (Bernger von Horheim, MF 115, 27):

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In der Blütezeit nimmt dieser Binnenreim wieder bedeutend ab. Man darf bei der Beurteilung allerdings nicht vergessen, daß dem Durchschnittsminnesange ähnlich wie dem Volksliede

das Wort

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stets weniger gegolten hat als die uns fast gänzlich unbekannte Weise. Ihren Hauptruhm ernteten bei den Zeitgenossen Reimar von Hagenau und sogar Walther nicht als Dichter, sondern als Tonkünstler. Nehmen wir aber, da wir es nicht anders können, diese Lieder nur von ihrer schriftlischen Seite vor, so kann man ihnen zwar oft unser Erstaunen über ihre Reimgeschicklichkeit nicht versagen Gutenburgs Leich z. B. ist ein Wunderbau, wenn man ihn nur nach seiner äußeren Kunst betrachtet, sie aber deswegen zu bewundern, wie das unsere deutsche Altertumswissenschaft früher wohl tat, haben wir wirklich keine Veranlassung.

Auch der Versbau ist gegen früher regelmäßiger angelegt; nur noch bei den ältesten hierher zu zählenden Dichtern finden wir, daß zwei Tongipfel unmittelbar aufeinander folgen, während die Senkung dazwischen später streng gefordert wird. Eine besondere Eigentümlichkeit der älteren Minnesänger ist ihre Vorliebe für einen Tonfall, der äußerlich wie die griechisch-lateinischen Daktylen1) anmutet und auch so von uns gelesen wird, ob mit Recht, ist noch nicht entschieden. Friedrich v. Hausen, MF 53, 15:

Wáz mac daz sín, daz diu wérlt heizet mínne,

únde ez mír tuot sô wế zaller stúnde?

Das Einzellied besteht zwar in der älteren Zeit noch oft nur aus einem Geseße, und wo mehrere zusammen ein Lied bilden, vermißt man noch sehr häufig den rechten inneren Zusammenhang dieser Einzelteile. Aber gegen früher ist die Abwechslung im Baue der Einzeltöne sehr groß. Während von den Dichtern in Kürenberges wîse eigentlich nur Dietmar über eine größere Mannigfaltigkeit der Töne verfügt da unter 26 Einzelliedern 11 Einzeltöne sind -, nähert sich bei Hausen, Veldeke, Johansdorf die Zahl der Töne der der Lieder, und bei Fenis ist sie dieser gleich.) In der Blütezeit sind eingeseßige Lieder seltene Ausnahmen; die politischen Sprüche Walthers gehören ja nicht zum Minnesange als solchem selbst.

Die Einzelteile der Geseze — Aufgesang, in zwei Stollen von durchaus gleichem Baue zerfallend, und Abgesang — erscheinen in scharfer Gesezmäßigkeit erst zur Zeit der Blüte, doch finden wir die Ansäge, zunächst zu der scharfen Trennung des Abgesanges, bereits von Anfang ab, während früher höchstens Dietmar sich zur Teilung des sonst

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1) lang, kurz, kurz, wie in Goethes Hermann und Dorothea 2) Verhältnis von Lied zu Ton: Hausen 21: 17, Veldeke 39 : 34. Johansdorf 18 : 14.

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