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sprünglichen Chor noch weiter einengten und nur noch einen der Liebenden im Selbstgespräche vorführen. Hier sind als Unterabteilungen denkbar Lieder der Erwartung und der Erinnerung; jene kann sich freudig oder bang, diese froh oder traurig äußern; jede dieser Abarten läßt sich dann noch nach den Geschlechtern unterscheiden. Von dieser Fülle der Möglichkeiten lassen sich nun nur wenige als wahrscheinliche Sprossen des Mailiedes erweisen. Frohe Erwartung finden wir CB 136":

Kume, kume, geselle mîn, ich enbîte 1) harte dîn. ich enbîte harte dîn, kume, kume, geselle mîn!

Süezer, rôsevarwer munt, kum und mache mich gesunt, Kum und mache mich gesunt, süezer, rôsevarwer munt! Dies ist deutlich die Ablösung der Aufforderung zum Tanze. Dann haben wir MF 3, 17 die bange Erwartung der Frau: noch sô lobesam,

Mich dunket niht sô guotes 2)

sô3) diu liehte rôse

und diu minne mînes man.

diu kleinen vogellîn diu singent in dem walde,
dêst*) menegem herzen liep.

mirn kome) mîn holder selle, in) hân der sumerwunne niet. Andere sehen in diesem Liedchen die Klage der Verlassenen, welche Liedgattung wir am sichersten der Vorzeit zuschreiben können. CB. 112 steht ein in seiner einfachen Seelenzeichnung höchst altertümliches Gedicht:

Floret silva nobilis floribus et foliis.
Ubi est antiquus meus amicus?

hinc equitavit, eia, quis me amabit?")

Floret silva undique, nâch mînem gesellen ist mir wê. grüenet der walt allenthalben: wâ ist mîn geselle alsô lange? der ist geriten hinnen. owî, wer sol mich minnen?

Die untereinander verwandten Gedichte MF 4, 1 und MF 37, 18vielleicht das älteste aller erhaltenen Lieder, sicher mit Unrecht Dietmar von Eist zugeschrieben sind Klagen der im Herbste Verlassenen, die für den fernen Geliebten den Einfluß falscher Frauen da draußen in der Fremde fürchtet:

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1) warte auf 2) nichts so gut (von dem substantivischen niht, niet hängt ein Genetiv ab) 3) wie 4) das ist 5) wenn mir nicht kommt; das angehängte n (ne, en) ist die Verneinung 6) ich nicht so habe ich keine Sommerfreude 7) Das Lateinische ist nachher ziemlich wörtlich deutsch wiedergegeben: Es blüht der edle Wald mit Blumen und Blättern. Wo ist mein alter Freund? Er ritt von hinnen; ach wer wird mich lieben?

Erwartung. Klage der Verlassenen. Dietmars Falkenlied

MF 37, 18. 'Sô wê dir, sumerwunne! daz vogelsanc ist geswunden: als ist der linden ir loup. jârlanc1) mir truobent) ouch mîniu wol stênden ougen. mîn trût, du solt gelouben 3)

dich anderre wîbe: wan, helt, die solt du mîden.

dô du mich êrst sæhe1), dô dûhte3) ich dich zewâre®)

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sô rehte minneclîch getân: des man") ich dich, lieber man.'

Auch die beiden Falkenlieder dürften auf ältere einheimische Vorbilder zurückgehen. MF. 37, 4 wird ebenfalls Dietmar von Eist zugeschrieben, wird aber beträchtlich älter sein:

Ez stuont ein frouwe alleine, und warte ) uber heide,

unde warte ir liebe. sô gesach si valken fliegen.

'so wol dir, valke, daz du bist! du fliugest swar9) dir liep ist:
du erkiusest 10) in dem walde einn boum der dir gevalle.
alsô hân ouch ich getân: ich erkôs mir selbe man:
den welten mîniu ougen. daz nîdent schone frouwen.

owê wan 11) lânt si mir mîn liep? jo 12) engerte 18) ich ir deheiner

trûtes niet 14).

Der Dichter will die Frau in ihrer von Eifersucht genährten Sorge um die Treue des Geliebten vorführen. Er stattet sein Lied mit einem prachtvollen malerischen Anfange und einem zarten geistvollen Schlußgedanken aus. Aber deutlich verrät sich die Unfreiheit des noch an Vorbildern Haftenden. Nur in den ersten vier Zeilen ist der Gedankenfortschritt stetig, auf einmal wird dann der angeschlagene Gedanke aufgegeben. Erwarten wir doch nach dem Bilde vom sehnsuchtweckenden freien Falken jezt den Ausdruck des Wunsches, dem Geliebten nachzuzuziehen, des Bedauerns, daß dies nicht gegönnt ist; also statt „So wie du" ein „Leider nicht so wie du". Was jezt aber den Inhalt der lezten drei Zeilen bildet, hängt innerlich mit dem Vorhergehenden kaum zusammen. Man wird diese Unbestimmtheit der Anlage nicht, mit dem Auge auf goethische Lieder, etwa so deuten wollen, als bestände dennoch eine innere Einheit, die des Fühlens, das von einem Gedanken zum andern überschlage. Denn das Gefühl, das die Frau beseelt, Trennungsweh und Eifersucht mit Furcht, kann kaum den an den Anblick des Falken geknüpften Gedanken erzeugen. Man wird diesen inneren Zwiespalt des Liedes so zu erklären haben, daß den Dichter das Falkenbild so sehr bestach, daß er es der Geschlossenheit des Ganzen zu

1) jezt, wo es sich jährt louben es aufgeben

=

8) schaute

2) sind trübe 3) sich eines dinges ge4) sahest 5) dünkte 6) fürwahr — 7) mahne. 10) wählst aus. Präteritum erkôs

9) überallhin, wo

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11) warum nicht — 12) fürwahr -13) begehrte nicht-14) wörtlich: Nichts nicht den Schat usw., s. S. 10, Anm. 2.

des Schazes von einer von ihnen

ANuG 404: Bruinier, Minnesang

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liebe nicht zu unterdrücken vermochte. Also wieder eine Mischung aus zwei Bestandteilen. Das Lied ist in seiner Kunstform so altertümlich, daß es aus einer Zeit stammen muß, für die man schwerlich fremden Einfluß wird annehmen dürfen; bei seinen einheimischen Vorbildern also erst recht nicht.

Das bekanntere zweite Falkenlied, MF. 8, 33, geht unter Kürnbergs Namen. Ebenfalls einer Frau in den Mund gelegt und vielleicht auch von einer Frau verfaßt, ist es eines der schönsten aller altdeutschen Gedichte:

valken mêre danne ein jâr.
als 2) ich in wolte hân,
mit golde wol bewant,
und floug in anderiu lant.

'Ich zôch mir einen
dô ich in gezamete 1),
und ich im sîn gevidere
er huop sich ûf vil hôhe

Sît sach ich den falken
er fuorte an sînem fuoze
und was im sîn gevidere
got sende si zesamene

schône fliegen: sîdîne riemen, alrôt guldîn.

die gerne geliebe wellen sîn.'

Dem gezähmten Falken werden - meist lederne, hier seidene - Schlingen, Würfel genannt, an die Ständer gebunden; daran hält man ihn auf der Faust, ehe die Jagd beginnt, fest, und fängt ihn bei der Rückkehr wieder auf. Die Umwindung des Gefieders mit Gold dient zum Schmucke. Unser Lied wird verschieden ausgelegt. Die einen meinen, der mit dem Falken gemeinte Geliebte habe seine Liebe in der Fremde nicht vergessen und kehre mit den Zeichen, die sie ihm einst verliehen, zurück; andere halten im Gegenteile das Lied für eine Klage der Verlassenen, die in den seidenen Würfeln an seinem Fuße fremde Liebesketten erkenne. Ich bin der ersten Ansicht, glaube aber, daß wir einen Ausdruck mehr vertiefter Seelenzeichnung vor uns haben. Die seidenen Riemen und der Goldschmuck stammen zwar von der redenden Frau denn darin, daß sie den Falken zamete, als si in wolte bân, liegt auch ausgedrückt, daß sie ihm Würfel angelegt hatte, aber sie ist beim Anblicke des so lange fremd gewesenen Geliebten unsicher, ob er, der äußerlich noch die Zeichen seines alten Verhältnisses zu ihr trägt, ihr noch im Herzen treu geblieben ist; denn er scheint zu zögern. Darum das Gebet zum Schlusse. Die Abreise an sich bedingt durchaus noch keine Trennung auch der Herzen. Das Lied könnte nach Joseph recht wohl von einer Frau stammen und als Botschaft für den Geliebten selbst bestimmt gewesen sein:,,ich bin dir noch treu; wie steht's mit dir?" Dafür spräche die deutliche Zurückhaltung der Gefühle der Redenden.

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Es gibt ein altitalienisches Sonett mit auffälligen Anklängen an diesen überaus zarten Sehnsuchtsklang mit seinen wunderbaren Farben. Doch kann darin schon aus dem Grunde nicht die Quelle des deutschen Liedes fließen, weil es Sonette vor dem Anfange des 13. Jahr

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Kürnbergs Falkenlied. Botenlieder

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hunderts nicht gegeben hat, unser deutsches Lied aber mindestens ein Menschenalter älter sein muß. Dann aber übertrifft unser Lied ohne Zweifel das italienische bei weitem an dichterischer Kraft. Selbst ein so sehr von der Bedeutung welscher Einflüsse auf die deutsche Liederdichtung des Mittelalters überzeugter Forscher wie der Franzose Jeanroh hält unser deutsches Falkenlied für ein ursprüngliches Zeugnis tiefen Gefühls und dichterischer Farbe. Es stammt natürlich, wie das einfachere zuerst besprochene, aus ritterlichen Kreisen, aber verleugnet einheimischen Boden nirgends, und kann so, wenn man die hohe Altertümlichkeit seiner Kunst bedenkt, angesprochen werden als die Blüte deutschen Liedes vor der Zeit sichtbarer Beeinflussung durch die welsche Dichtung.

Eins zeichnet dieses Lied vor den anderen bisher betrachteten aus: es ist das einzige, das unbestreitbar ein persönliches Fühlen ausdrückt, während die anderen sich in der Vorführung von Lebenslagen gefallen, die Darstellung des Fühlens aber noch ganz allge= mein gehalten ist. Dies lettere ist eine der Vorbedingungen des Volksgesangs, des Mailiedes, das jene Sprossen entsandte. Unser Lied kann also, ganz abgesehen von seiner ausgesprochen ritterlichen Färbung, nicht in den Kreis des Volksgesanges einbezogen werden. Wir hatten nun früher den Liebesgruß für die vorgeschichtliche deutsche Liederdichtung als ziemlich wahrscheinlich erwiesen und fanden ihn bei den höheren Ständen. Ist es gewagt zu schließen, daß das Falkenlied seine ursprünglichsten Anregungen in den leider verklungenen Liebesgrüßen fand? Auch für Dietmars Botenlied 32, 13 mit seinen so altertüm lichen Maßen, Reimen, Empfindungen und Ausdrucksmitteln möchte ich eine Anregung durch bestehende Muster annehmen:

Seneder friundinne bote,

nu sage dem schoenen wîbe, daz mir tuot âne mâze wê, daz ich si sô lange mîde. lieber hete i'r1) minne, dan al der vogele singen. nu muoz ich von ir gescheiden sîn. trûric ist mir al daz herze mîn.

Und auch für den durch Boten übermittelten Wechsel Kürnbergs MF 7, 1; 7, 10 könnte man Wurzeln in der vorgeschichtlichen Dichtung vermuten:

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Wes manest du mich leides, mîn vil liebez wîp?
unser zweier scheiden müez ich geleben 1) niet.
verliuse ich dîne minne,

sô lâz ich die liute harte wol entstân 2),
daz mîn fröide ist des 3) minnist

wider) alle ander man.

Wir würden auf diesem Wege gerade Botenlieder für die vor= geschichtliche Zeit als wahrscheinlich erschließen können und ahnen, daß diese Liedart die älteste Gestalt sei, worein die höheren Stände ihre Liebeslieder kleideten. Das würde ja auch zu dem stimmen, was wir über Rudliebs Liebesgruß wissen.

Zum Schlusse sei noch das bekannte reizende Gedichtchen MF 3, 1 genannt:

dû bist mîn, ich bin dîn:

des solt dû gewis sîn.
dû bist besloggen

in mînem herzen.

verlorn ist daz slüzzelîn:

dû muost immer darinne sîn.

Wenn auch wahrscheinlich kein eigentliches Lied, ist es doch ein Zeugnis für die Liebesdichtung und reicht mit seinen Wurzeln tief in die vorgeschichtliche Zeit hinein.

Für die vorgeschichtliche Zeit hätten wir also außer mit den Abzweigungen aus den Mailiedern des Volksgesanges - Liebesstreit, Abschiedsklagen, Liedern freudiger und banger Erwartung, Klagen der Verlassenen deren Anlage und Inhalt sich wegen ihrer Herkunft in festgelegten Bahnen bewegen, auch noch mit Liebesliedern der höheren Stände zu rechnen, die zwar aus der gemeinsamen Wurzel des Liebesgrußes, den der Bote übermittelt, erwachsen sein könnten, aber unter sich mannigfach verschieden waren, weil eben hier im Gegensaße zu den Sprossen des Mailiedes ein Band fehlte, das die einzelnen zusammenhielt.

Der vorgeschichtlichen Zeit kann man nach unserer vorsichtigen Prüfung das Liebeslied im eigentlichen Verstande also nicht absprechen. Auf diesem Grunde bauen wir weiter, wenn wir uns nunmehr der geschichtlichen Zeit zuwenden.

1) erleben 2) verstehn

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3) deshalb 4) im Vergleiche mit. Die Handschrift hat und, was für uuids, die Abkürzung von wider, verlesen ist.

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